EJERCITO ZAPATISTA DE LIBERACIÓN NACIONAL (EZLN)
MEXIKO
März 2025
An die künstlerische und intellektuelle Gemeinschaft Mexikos und der Welt:
Hört mal … Wir wissen, dass ihr mit dem Trump beschäftigt seid, aber – ich weiß nicht, ob ihr es mitbekommen habt: Es geschehen Dinge, die selbst die Hartgesottensten in Schrecken versetzen würden. Dabei handelt es sich nicht um isolierte oder außerordentliche Ereignisse, sondern sie passieren häufig und sind alltäglich, „gewöhnlich“, „normal“.
Hier erinnern wir uns noch daran, dass ihr in der Vergangenheit immer Konzerte, Ausstellungen, Versteigerungen, Tombolas, Artikel und runde Tische organisiert und euch daran beteiligt habt, um die Pueblos Originarios [1] zu unterstützen.
Wir wollen nicht bestreiten, dass wir nicht mehr in Mode sind, und auch nicht, dass einige von euch Unterschlupf und Gehalt in der 4T [2] oder ihren Äquivalenten in ihren jeweiligen Geografien gefunden haben.
Aber es gibt edle, gerechte, wahrhafte Gründe, genau hier, im Haus gegenüber, gleich um die Ecke, eine Stunde von der Hektik der Stadt entfernt. Ein Mädchen, ein Junge, eine Jugendliche, ein Jugendlicher, ein Erwachsener, eine Frau, ein alter Mensch verschwindet. Aber jemand erinnert sich an sie, jemand vermisst sie, jemand braucht sie, jemand sucht nach ihnen.
Die Kollektive der Suchenden sind nicht im Haushalt vorgesehen (obwohl jetzt versucht wird, diese Menschen mit Regierungsposten zu „kaufen“), sie erhalten nicht täglich die Aufmerksamkeit der Medien, obwohl ihre Arbeit täglich stattfindet und seit Jahren, vielen Jahren, Amtszeiten von Regierungen, andauert. Und es ist notwendig, den Abgrund des Terrors zu öffnen, der das tägliche Leben dieses Landes als wahren Albtraum definiert, damit sie gesehen werden. Ja, es wird nur für ein paar Tage sein… bis ein neuer Skandal den jetzigen überlagert.
Wenn ihr nicht dasselbe glaubt wie der Vorsitzende des Senats (der behauptet, dass es sich in Wirklichkeit um einen Flohmarkt handeln könnte oder um ein Geschäft, das gebrauchte Schuhe und Kleidungsstücke verkauft – und nicht um die Kleidungsstücke von Hunderten von Ermordeten), müssen die Zeugenaussagen, die Bilder, die Schreie, die Kerzen, die unbeholfenen Erklärungen der Behörden, ihre Empathielosigkeit und die Tatsache, dass sie darauf setzen, dass dieses Land gegenüber dem Grauen, dem Tod und dem Zynismus bereits unempfindlich geworden ist, etwas in euch bewegen.
Diese Sache, das Suchen und Auffinden von Vermissten, ist keine parteipolitische Angelegenheit. Vielmehr haben sich diese Kollektive bemüht, die Kojoten und Geier der politischen Parteien und Akronyme, die sie begleiten, von sich fernzuhalten.
Das ist etwas Menschliches – oder sollte es zumindest sein. Was also spricht gegen eine Kampagne, in der die Künste und das Denken angesichts dieses Grauens ihre Präsenz zeigen, ja, aber auch angesichts der Selbstlosigkeit und Würde derer, die nach Wahrheit und Gerechtigkeit streben?
Ok, wir wissen, dass ihr eure Ferien, Reisen, Verabredungen, Geburtstage, Hochzeiten geplant habt, dass das Wetter, die Kälte, die Hitze, der Regen …; aber ein Tag, nur ein einziger Tag, an dem die Künste und das Denken in Erscheinung treten und diese suchenden Menschen wissen lassen, dass sie zumindest schon in jenen von uns die Menschlichkeit gefunden haben, die diese Geografie, Mexiko, als Raum des Schmerzes, der Scham … und des Kampfes haben.
Diese Menschen, Männer und Frauen, suchen nicht nach Geld (was Herr Beltrones nie verstehen wird) oder einem Posten (obwohl es an Geiern um sie herum nicht mangelt) – etwas, das die 4T nicht begreift.
Sie suchen ihre Angehörigen, die sie vermissen.
Und ob sie sie finden oder nicht, sie brauchen die Genugtuung, uns ALLEN gezeigt zu haben, dass diese Abwesenden auch unsere Abwesenden sind.
Jede Person auf ihre Weise, in ihrer eigenen Geografie, auf ihre Art, mit ihrem Wissen, ihrer Fantasie, ihrer Kreativität. Ein Tag der Umarmung für diejenigen, die unermüdlich suchen. Ein kleines Licht für diejenigen, die versuchen, die Nacht des Vergessens zu durchbrechen. Wenigstens ein Tag, der sie und uns daran erinnert, dass Scham, Empathie, Wut und Würde auch menschlich sind.
Deshalb, Brüder und Schwestern der Künste und des Denkens: Wenn ihr jetzt schweigt, wird euch nichts und niemand finden können.
Aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Im Namen der zapatistischen Mädchen, Jungen, Frauen, Otroas [3], Männer und Ältesten
Subcomandante Insurgente Moisés
Mexiko, März 2025
Anm. d. Übers.:
[1] Verbleibt als Selbstbezeichnung im Original; wörtlich übersetzt: »originäre/ ursprüngliche Bevölkerung/ Gemeinschaften/ Völker«
[2] 4T: »Vierte Transformation«: die offizielle neoliberale Regierungspolitik.
[3] Andere*
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