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Palabra del Ejército Zapatista de Liberación Nacional

Nov292023

Vierzehnter Teil und Zweite Warnung, sich zu nähern: Der (andere) Satz vom Ausgeschlossenen Dritten

Vierzehnter Teil und Zweite Warnung, sich zu nähern:

Der (andere) Satz vom Ausgeschlossenen Dritten (*1).

November 2023.

Die Versammlung war vor einem Jahr. Eine Morgendämmerung im November. Es war kalt. Der Subcomandante Insurgente Moisés kam zur Holzhütte, der Champa der Capitanía (nein, Ihr irrt Euch nicht, zu dem Zeitpunkt war der SupGaleano bereits verstorben, sein Ableben war lediglich noch nicht öffentlich bekannt gegeben). Die Zusammenkunft mit den Jefas und Jefes (2*) war spät zu Ende gegangen. Und der SupMoy nahm sich Zeit, um vorbeizukommen und mich zu fragen, wie weit ich mit der Analyse, die am nächsten Tag der Vollversammlung präsentiert werden sollte, vorangeschritten sei. Der Mond war langsam und träge bis zu einem Viertel aufgegangen und die Weltbevölkerung hatte die Anzahl von 8 Milliarden erreicht. In meinem Notizheft tauchten drei Vermerke auf:

Der reichte Mann Mexikos, Carlos Slim, sagte zu einer Gruppe von Studierenden: »Was ich gegenwärtig für Sie alle erkenne, ist ein florierendes Mexiko mit anhaltendem Wachstum und vielen Möglichkeiten für die Schaffung von [neuen] Arbeitsplätzen und Wirtschaftstätigkeiten« (10. November 2022). (Anmerkung: Vielleicht bezieht er sich auf das organisierte Verbrechen als Wirtschaftstätigkeit, die neue Arbeitsplätze schafft. Mit Export-Waren.)

»(…) die Zahl der Personen, die aktuell in Mexiko – seit 1964 – als verschwunden gemeldet sind, steigt auf 107.201 Personen. Das heißt, 7.000 mehr als im Mai diesen Jahres, wo die Schwelle von 100.000 überschritten wurde« (7. November 2022). (Anmerkung: die Sucherinnen (auf)suchen.)

Die UNO beziffert die Anzahl der palästinensischen Gefangenen in Israel auf 5.000, unter ihnen befinden sich 160 Kinder – gemäß dem Bericht der Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten. Netanyahu gelangt zum dritten Mal an die Spitze der Regierung (November 2022). (Anmerkung: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.)

-*-

Eine Spalte als Projekt.

Es war nicht das erste Mal, dass wir das Thema berührten. Eher war es die Konstante während der vergangenen Monde: die Analyse, welche der Vollversammlung für die Entscheidung dienen sollte: Was folgt? Sie waren seit Monaten auch bereits dabei, dies zu diskutieren, jedoch kam der Ideen-Vorschlag des Subcomandante Insurgente Moisés noch nicht zu einem Ende, war noch nicht konkretisiert. Es blieb da noch eher eine Art von Intuition.

»Es ist nicht so, weil alle Türen verschlossen wären«, begann er, »denn es gibt keine Türen mehr. All diese Türöffnungen, die als »echt« scheinen, führen nicht weiter als wieder zum Ausgangspunkt. Jeder Weg-Versuch ist nur eine Reise durch ein Labyrinth, die dich im besten Falle zum Anfang zurückbringt. Im schlimmsten Falle zum Daraus-Nicht-mehr-Auftauchen.«

»Und somit?«, fuhr der SubMoy fort, dabei sich die hundertste Zigarette anzündend.

»Nun, ich glaube, du hast recht, es bleibt nur, einen Spalt zu öffnen. Und nicht mehr woanders zu suchen. Eine Türöffnung muss gemacht werden. Das wird dauern, sicherlich. Und es wird viel kosten. Aber ja, es ist möglich. Obzwar nicht jede*r. Das, was da gedacht wird: keine*r und niemals. Ich hätte selbst nicht geglaubt, dass ich so was mal hören würde«, meinte er.

Der SubMoy verblieb eine Weil nachdenklich, auf den Boden der Champa blickend, welcher voller Zigarettenkippen, Reste von Pfeifentabak, abgebranntem Streichholz, feuchten Schlamm und ein paar zerbrochenen Ästchen war. Danach erhob er sich, ging zur Tür und sagte: »Nun, zweifellos, es fehlt noch zu erkennen …  es fehlt das, was fehlt.«

-*-

Scheitern als Ziel.

Um zu verstehen, was dieser kurze Dialog bedeutet, muss ich Euch einen Teil meiner Arbeit als Capitán erklären. In diesem Falle bedeutet es eine Arbeit, die ich vom verstorbenen SupGaleano übernommen habe, und jener erhielt sie vom verstorbenen SupMarcos.

Eine undankbare, düstere und schmerzhafte Arbeit: das zapatistische Scheitern vorausschauen.

Wenn an eine [neue] Initiative gedacht wird, suche ich nach allem, was sie scheitern lassen oder zumindest ihren Impakt, ihre Wirkung verringern könnte: Suchen nach dem widersprechenden Gegensatz. Sagen wir mal, so etwas wie ein: Marcos Contreras – Marcos Widerspruch. Nun, ich bin der größte und einzige Repräsentant des »pessimistischen Flügels« des Zapatismus.

Ziel ist, mit jeglicher Art von Einspruch die Initiativen vom Moment ihres Entstehens an zu attackieren. Wir nehmen an, dass dies einen gemachten Vorschlag zurechtfeilt, zuspitzt und festigt – sei es ein interner organisatorischer Vorschlag, eine Initiative, die sich nach außen richtet oder eine Kombination aus beidem.

Um das klar zu machen: Der Zapatismus bereitet sich darauf vor, zu scheitern. Das heißt, stellt sich das schlimmste Szenario vor, nimmt es vorweg. Mit diesem [möglichen] Horizont im Blick werden die Pläne ausgearbeitet und gehen die Vorschläge ins Detail.

Um diese »zukünftigen Niederlagen« vorwegnehmend zu erkennen, werden die Wissenschaften, über die wir verfügen können, angewandt. Überall muss gesucht werden (und wenn ich sage »überall« sind damit auch alle gemeint, einschließlich der Social Media mit ihren Bots-Fabriken, Falschinformationen und Kehrtwendungen, die gemacht werden, um »Followers« zu erhalten). Es muss die höchste Anzahl von Daten und Informationen gesammelt, miteinander konfrontiert,  abgeglichen werden, um somit zu einer Früherkennung zu kommen, was der perfekte Sturm und dessen Ergebnis sein würde.

Ich müsst versuchen zu verstehen: Es geht hierbei nicht darum, eine Gewissheit zu konstruieren sondern um eine fürchterliche Hypothese [eine Annahme von …]. Mit den Worten des Verstorbenen [SupMarcos/SupGaleano]: »Gehen wir mal davon aus, dass alles beschissen wird.« Entgegen dem, was gedacht werden mag: Diese Katastrophe beinhaltet nicht unser Verschwinden sondern etwas Schlimmeres: die Auslöschung der Gattung Mensch. Nun gut, zu mindestens, so wie wir sie heute kennen.

Diese Katastrophe wird vorweggenommen, sich vorgestellt und es beginnt die Suche nach Daten, die das bestätigen. Reale Daten, nicht die Prophezeiungen des Nostradamus oder die biblische Apokalypse oder ähnliches. Das heißt, wissenschaftliche Daten. Dabei werden wissenschaftliche Publikationen, Finanzdaten, Trends, Fakten-Register und viele andere Publikationen herangezogen.

Ausgehend von dieser hypothetischen Zukunft wird die Uhr gegen den Uhrzeigersinn in Gang gesetzt.

-*-

Der Satz vom Ausschließenden Dritten.

Jetzt bereits im Besitz einer Skizze des Zusammenbruchs und seiner Unvermeidbarkeit – beginnt der Satz vom Ausschließenden Dritten zu arbeiten. Nein, es ist nicht der allseits bekannte. Dieser hier ist eine Erfindung des verstorbenen SupMarcos. Zu Zeiten als er Leutnant [der EZLN] war, sagte er: dass im Falle eines Fehlers, erstens: eine Lösung versucht wird; zweitens: der Fehler   korrigiert wird; und drittens … Nun, es gab kein drittens, kein Drittes – und es blieb bei so etwas wie: »Es gibt keine Abhilfe, hat keinen Zweck.«

Später wurde dieser Satz weiter zugespitzt bis zu dem, was ich Euch jetzt darlege:

Gestützt auf eine Hypothese aus wahrhaften Daten und wissenschaftlicher Analyse wird dazu übergegangen, zwei Elemente zu suchen, welche dieser verflixten Hypothese in deren Grundsätzlichkeit widersprechen. Wenn diese zwei Elemente gefunden sind, wird nicht mehr nach einem dritten Element gesucht, sondern die Hypothese muss neu konzipiert oder mit der allerstrengsten Richterin konfrontiert werden: der Realität.

Um das zu erklären: Wenn die Zapatistas »die Realität« sagen, schließen sie ihr Handeln innerhalb dieser Realität mit ein. Das was Ihr »die Praxis« nennt.

Somit wende ich nun den [oben genannten] Satz an. Wenn ich mindestens zwei Elemente finde, die meiner Hypothese widersprechen, dann höre ich mit der Suche auf, verwerfe die Hypothese und suche eine andere.

Die komplexe Hypothese.

Meine Hypothese lautet: Es gibt keinerlei Abhilfe mehr.

Notizen:

Das ausgeglichene Zusammenleben von Mensch und Natur ist bereits unmöglich. In der Konfrontation wird diejenige gewinnen, die mehr Zeit hat: die Natur. Das Kapital hat die Beziehung zur Natur in eine Konfrontation, in einen Krieg der Ausplünderung und Zerstörung gewandelt. Ziel dieses Krieges ist die Auslöschung des Gegners, in diesem Falle: der Natur (die Menschheit mit eingeschlossen). Unter dem Kriterium der »geplanten Obsoleszenz (*3)« (oder »voraussichtlichen Haltbarkeit«) verfällt die Frist der Ware Mensch[enleben] mit jedem Krieg.

Die Logik des Kapitals besteht darin: Höchster Gewinn, schnellstmöglich. Dies macht, dass das System sich zu einer gigantischen Maschine von Ausschussware (einschließlich der Menschen) gewandelt hat. Innerhalb des Sturms geraten die sozialen Beziehungen aus dem Ruder und das unproduktive Kapital treibt Millionen in die Arbeitslosigkeit, und von dort aus hin zur »alternativen Beschäftigung« innerhalb des [organisierten] Verbrechens, oder hin zur Migration. Die Zerstörung der Gebiete beinhaltet ihre Entvölkerung. Das »Phänomen« der Migration ist nicht die Einleitung der Katastrophe sondern seine Bestätigung. Die Migration produziert den Effekt von »Nationen innerhalb von Nationen«, produziert riesige umherziehender Menschen-Karawanen, die gegen polizeiliche, militärische, kriminelle, bürokratische, rassifizierte und ökonomische Betonmauern prallen.

Wenn von Migration gesprochen wird, wird die andere Migration, die im Kalender vorausging, vergessen.  Die Migration der originären Bevölkerungen innerhalb ihrer eigenen Gebiete, welche jetzt zur Ware wurden. Wurde nicht der palästinensische Pueblo zu Migrant*innen gemacht, die aus ihrem eigenen Land vertrieben werden müssen? Geschieht nicht das Gleiche mit den Pueblos originarios weltweit?

In Mexiko stellen die Comunidades originarios den »auswärtigen Feind« dar, der es wagt den [heiligen] Boden des Großgrundbesitzes, der Finca eines Systems zu entweihen, welcher zwischen den Flüssen Río Bravo und Río Suchiate liegt (*4). Um diesen Feind zu bekämpfen, gibt es tausende von Soldaten und Polizisten, gibt es Mega-Projekte, Kauf von Gewissen, Repression, Verschwunden machen, Morde und eine wahrhafte Produktion von Schuldigen (siehe:  HYPERLINK «https://frayab.org.mx/»https://frayab.org.mx). Die Ermordung des Bruders Samir Flores Soberanes (*5) und dutzender anderer Bewahrer*innen der Natur bestimmen das gegenwärtige Regierungsprojekt.

Die »Angst vor dem Anderen« erreicht Niveaus der offenen Paranoia. Für den Mangel, die Armut, die Unglücke und das Verbrechen ist ein System verantwortlich; doch jetzt wird die Schuld dem*der Migrant*in übertragen, der*die bekämpft werden muss bis hin zur Vernichtung.

Innerhalb »der Politik« werden mehr als falsche Alternativen angeboten. Neue Kulte, neue Nationalismen, neue, alte, recycelte – die neue Religion der sozialen Netzwerke und ihre Neo-Propheten, »die Influencer.« Und der Krieg, immerzu der Krieg.

Die Krise der Politik stellt die Krise der Alternativen zum Chaos dar. Die frenetische Abfolge von Regierungen der Rechten, der Ultra-Rechten, des nicht-existierenden Zentrums und der sich prahlerisch »Links«-Nennenden ist nur ein Abglanz des sich verändernden Marktes: Da es neue Handy-Modelle gibt, warum dann nicht auch »neue« politische Optionen?

Die Staaten-Nation wandeln sich zu Zollbeamten des Kapitals. Es gibt keine Regierungen mehr, dafür eine einzige Grenzkontrolle in verschiedenen Farben und mit unterschiedlichen Flaggen. Der Disput über den »fetten« Staat und den »verschlankten« Staat stellt nur das fehlgeschlagene Verbergen seines ursprünglichen Charakters dar: der Repression.

Das Kapital beginnt, den Neoliberalismus als sein theoretisch-ideologisches Alibi durch dessen logische Konsequenz zu ersetzen: den Neo-Malthusianismus (*6). Das bedeutet einen Vernichtungskrieg gegen große Bevölkerungen, um den Wohlstand »der modernen Gesellschaft« zu schaffen. Der Krieg ist keine Unregelmäßigkeit [im Lauf] der Maschine, er ist ihre reguläre Wartung, welche Funktion und Ausdauer absichern werden. Die radikale Reduzierung der Nachfrage, um die Beschränkungen des Angebots auszugleichen.

Das wäre dann kein sozialer Neo-Darwinismus (im Sinne von: die Starken und Reichen werden noch stärker und reicher, die Schwachen und Armen werden noch schwächer und ärmer), und auch keine Eugenik, welche eine der ideologischen Alibis für den Nazi-Vernichtungskrieg gegen den jüdischen Pueblo bildete. Oder nicht nur, denn es wäre eine weltweite Vernichtungskampagne gegen die mehrheitliche Bevölkerung dieser Welt: die Vernichtung der Enteigneten, der Besitzlosen, sie somit auch noch ihres Lebens zu enteignen.

Wenn die Ressourcen des Planeten nicht ausreichen und es keinen Ersatz-Planeten gibt (den sie noch nicht gefunden haben, obwohl sie dabei sind), dann wird also dementsprechend die [weltweite] Bevölkerung drastisch reduziert: den Planeten mittels Entvölkerung und Neuordnung  verkleinern, und dies nicht nur innerhalb bestimmter Gebiete sondern auf der ganzen Welt. Eine Nakba für den gesamten Planeten.

Wenn das Haus nicht ausgedehnt werden kann und weitere Stockwerke nicht gebaut werden können; wenn die Bewohner*innen des Kellers zum Erdgeschoss gelangen und die Speisekammer plündern wollen, und – oh, welch ein Horror! – nicht aufhören, sich zu reproduzieren; wenn die »nachhaltigen Öko-Paradiese« (in Wirklichkeit bilden sie die Panik-Schutz-Räume des Kapitals) nicht ausreichen; wenn die vom ersten Stock die Zimmer im zweiten Stock wollen, und so weiter …  – zusammengefasst: Wenn die »moderne Zivilisation« und ihr Kernstück (das Privateigentum der Produktions-, Zirkulations- und Konsumtionsmittel) in Gefahr sind, nun, dann müssen die Mieter*innen rausgeworfen werden – mit dem Keller beginnend bis ein »Gleichgewicht« geschaffen wurde.

Wenn die Ressourcen und Ländereien des Planeten erschöpft sind, folgt die »Diät«, um die »Fettleibigkeit« des Planeten zu reduzieren. Denn die Suche nach einem anderen Planeten hat  unvorhersehbare Schwierigkeiten. Ein Wettlauf im Weltraum ist voraussehbar, aber sein Erfolg  immer noch sehr ungewiss. Die Kriege haben jedoch ihre »Effizienz« bereits demonstriert.

Die Eroberung von Gebieten brachte das exponentielle Wachstum der »Überschüssigen«,  »Ausgeschlossenen«, »Entbehrlichen«. Die Verteilungskriege setzen sich fort. Die Kriege haben zwei Vorteile: Sie wiederbeleben die Kriegsproduktion und deren Zulieferer und beseitigen gleichzeitig die »Überschüssigen«, unverzüglich und unwiederbringlich.

Die Nationalismen werden nicht einfach nur wieder auftauchen und Aufwind erhalten; sie sind die notwendige geistige Grundlage der Kriege: »Verantwortlich für deinen Mangel ist der*diejenige neben dir. Deshalb verliert deine Equipe.« Das ist die Logik der – nationalen, ethnischen, religiösen, politischen, ideologischen, geschlechtlichen – »Cliquen«, »Rocker« und »Hooligans« – damit zu mittleren, großen oder kleinen Kriegen ermunternd – zu Kriegen immer mit demselben Ziel der Säuberung.

Somit: Der Kapitalismus verfällt nicht, er transformiert sich lediglich.

Der Staat-Nation ließ es vor Zeiten sein, seine Funktion von Gebiet-Regierung-Bevölkerung mit gemeinsamen Charakteristiken (Sprache, Währung, Rechtssystem, Kultur etc.) zu erfüllen. Die nationalen Staaten sind nun die militärischen Stellungen einer einzigen Armee – des Kartells des Kapitals. Im gegenwärtigen weltweiten Verbrechen des Systems bilden die Regierungen die »Platzhirsche«, die die jeweilige Kontrolle über ein Gebiet innehaben. Beim politischen Kampf, ob bei Wahlen oder Nicht-Wahlen, geht es darum zu sehen, wer zum »Platzhirschen« aufsteigt. Die [erpressten] »Schutzgelder« mittels Steuern und Abgaben sind für Kampagnen und den Wahl-Prozess. Das desorganisierte Verbrechen finanziert derart seinen Unterhalt, obzwar es sich jedesmal offensichtlicher als unfähig erweist, seinen Untergebenen Sicherheit und Gerechtigkeit zu bieten. Innerhalb der modernen [zeitgenössischen] Politik werden die Chefs der nationalen Kartelle durch Wahlen bestimmt.

Aus diesem Ausbund an Widersprüchen wird keine neue Gesellschaft entstehen. Auf die Katastrophe wird nicht das Ende des kapitalistischen Systems folgen, sondern eine andere Form seines plündernden Charakters. Die Zukunft des Kapitals wird dieselbe sein wie seine patriarchale Vergangenheit und patriarchale Gegenwart: Ausbeutung, Repression, Raub und Verachtung. Für jede Krise hat das System immer einen Krieg zur Hand, um diese Krise zu lösen. Daher: Es ist nicht möglich, eine Alternative zum Kollaps zu skizzieren oder aufzubauen, die über unser eigenes Überleben als  Comunidades originarios hinausgeht.

Die Mehrheit der Bevölkerung sieht die Katastrophe nicht oder glaubt nicht, dass sie möglich sei. Dem Kapital ist es gelungen, die reduzierte Sichtweise auf das Nächstliegende und die Leugnung des Offensichtlichen dem kulturellen und grundsätzlichen Verhaltenskodex derjenigen von Unten einzutrichtern.

Über einige Comunidades originarios, Pueblos im Widerstand, einige andere Gruppen und Kollektive hinaus ist es unmöglich, eine Alternative zu schaffen, welche über die lokale Begrenzung hinausgeht.

Das Vorherrschen einer Idee von Staat-Nation innerhalb der Vorstellungswelt von Unten stellt ein Hindernis dar. Dies hält die Kämpfe von einander getrennt, isoliert, fragmentiert. Die Grenzen, die sie trennen, verlaufen nicht nur geographisch.

-*-

Die Widersprüche.

Notizen:

Erste Serie von Widersprüchen.

Der Kampf der Geschwister der Cholulteca-Region gegen das Unternehmen Bonafont in Puebla, Mexiko (2012-2022). Sehend, dass ihre Quellen austrockneten, richteten sie ihren Blick auf den Verantwortlichen: das Unternehmen Bonafont, im Besitz von Danone. Sie organisierten sich und besetzten die Abfüll-Anlage. Die Quellen erholten sich, das Wasser und das Leben auf ihren Ländereien kehrten wieder zurück. Die Natur antwortete derart auf die Aktion ihrer Verteidiger*innen und bestätigte somit das von den Bauern Gesagte: Das Unternehmen hat das Wasser geplündert. Die Repressionskräfte, welche sie nach einer Zeit räumten, konnten nicht die Realität verbergen: Die Pueblos verteidigten das Leben; das Unternehmen und die Regierung verteidigten den Tod. Die Mutter Erde antwortete so auf ihre Befragung: Ja, wenn es Abhilfe gibt, so antworte ich demjenigen, der meine Existenz verteidigt, mit Leben; wir können zusammenleben, wenn wir einander respektieren und uns umeinander sorgen.

Die Pandemie (2020). Die Tiere gewannen wieder ihren Ort zurück in einigen verlassenen städtischen Gebieten, wenn auch nur zeitweise. Wasser, Luft, Flora und Fauna erhielten eine Atempause und konnten wieder gesunden, wurden jedoch innerhalb kurzer Zeit erneut unterworfen. Derart haben sie gezeigt, wer der Eroberer, der Eindringling ist.

Die Reise für das Leben (2021). Im Osten, das heißt, in Europa, gibt es Beispiele des Widerstands gegen die Zerstörung, und vor allem die Schaffung einer anderen Beziehung zur Madre Tierra, der Mutter Erde. Die Berichte, Erzählungen, Anekdoten sind für diese Notizen zu viele, jedoch bestätigen sie, dass dort die Realität nicht nur die Realität der Xenophobie, Idiotie und Anmaßung ihrer Regierungen ist. Wir hoffen, ähnliche Kräfte in anderen Geographien zu finden.

Also: Ja, das ausgeglichene Zusammenleben mit der Natur ist möglich. Davon muss es mehr Beispiele geben. Anmerkung: Mehr Daten suchen, nochmals die Berichte der »Unzeitgemäßen« [der zapatistischen Delegation] während ihrer »Reise für das Leben – Kapitel Europa« durchsehen, was sie dort gesehen und gelernt haben; den Aktionen des CNI [Congreso Nacional Indígena] und anderer Organisationen und Bewegungen der geschwisterlichen Pueblos originarios der Welt folgen. Aufmerksam sein gegenüber Alternativen in urbanen Zonen.

Teil-Resümee: Die ausfindig gemachten Widersprüche stellen einen der Ansätze der
komplexen Hypothese in Frage, jedoch noch nicht ihren Kern. Der sogenannte »grüne Kapitalismus« könnte diese Widerstände aufsaugen oder verfälschen.

Zweite Serie von Widersprüchen.

Die Existenz und das Weiterbestehen der Sexta und Einzelpersonen, Gruppen, Kollektive, Equipen, Organisationen, Bewegungen, sich in der Erklärung für das Leben verteidigend. Und viele mehr in vielen Gegenden. Es gibt den*diejenige, die*der widersteht und rebelliert, und geht darum, sich zu finden und zu treffen. Aber es ist notwendig zu suchen. Und dies lehren uns die Sucherinnen: zu suchen ist ein notwendiger, dringender, vitaler Kampf. Mit allem gegen sich – bestehen sie hartnäckig auf die äußerste Hoffnung.

Teil-Resümee: Allein die Möglichkeit – minimal, winzig, mit einem lächerlichen Prozentsatz der Wahrscheinlichkeit – dass die Widerstände und die Rebellion zusammentreffen, übereinstimmen – bringt die Maschine zum Stottern. Das bedeutet nicht ihre Zerstörung, ja, das stimmt. Noch nicht. Die scharlachroten Hexen werden entscheidend sein.

Die Wahrscheinlichkeit des Triumphs des Lebens über den Tod ist lächerlich gering. Somit bleiben die Optionen: Resignation, Zynismus, der Kult des Unmittelbaren (»carpe diem – nutze den Tag« – als Lebensstütze).

Und dennoch gibt es welche, die die Mauern herausfordern, die Grenzen, Regeln, Sätze … und das Wahrscheinlichkeitsgesetz

Dritte Serie von Widersprüchen: Sie ist nicht nötig. Wende den Satz vom Ausschließenden Dritten an.

Allgemeines Resümee: Somit muss eine neue Hypothese entworfen werden.

-*-

Ah, Ihr habt gedacht, die Initiative, der Schritt, welche die zapatistischen Pueblos ankündigt haben, bestünde im Verschwinden der MAREZ, der autonomen rebellischen Landkreise sowie der Räte der Guten Regierung, dem Auf-den-Kopf-stellen der Pyramide und dem Entstehen der GAL, der Lokalen Autonomen Regierungen.

Tut mir leid, Euch die Ruhe zu rauben. Dem ist nicht so. Kehre zuvor noch einmal zum sogenannten »Ersten Teil« [der Kommuniqué-Serie] zurück und zur Diskussion über die Motive der Wölfe und Hirten. Bereits getan? Nun füge folgendes hinzu:

Permissu et gratia a praelatis dico vobis visiones mirabiles et terribiles quas oculi mei in his terris viderunt. 30 Anno Resistentise, et prima luce diei viderunt imagines et sonos, quod nunquam antea viderant, et tamen litteras meas semper intuebantur. Manus scribit et cor dictat. Erat mane et supra, cicadae et stellae pugnabant pro terra …

Mit der Erlaubnis und der Gnade der höheren Mächte erzähle ich euch von den wundervollsten und schrecklichsten Erscheinungen, die mein Auge auf dieser Erde jemals wahrgenommen hat. Im Jahre 30 des Widerstandes, mit den ersten Lichtern des Tages, waren Bilder und Klänge zu vergegenwärtigen, die es niemals zuvor gegeben hatte – und trotzdem überdachten sie meine Worte. Denn die Hand schreibt und das Herz verkündet. Es war die Morgendämmerung – und hoch oben kämpften Grillen und Sterne für die Erde …

Der Capitán.

Es tauchte dann nicht auf, weil sie damals [als der Erste Teil erschien] noch nicht vom Tod des SupGaleano und von den anderen notwendigen Toden wussten. Aber so sind wir Zapatistas: Immer verschweigen wir mehr als wir sagen. So als ob wir hartnäckig darauf bestehen, ein immer unvollständiges Puzzle zu entwerfen immerzu mit einem fehlenden Teil, immer mit diesem unzeitgemäßen Fragezeichen: Und du, was …?

Aus den Bergen des Südosten Mexikos.

Der Capitán.
40, 30, 20, 10, 2, 1 Jahr(e) danach.

PS. Und somit, was fehlt? Nun …. es fehlt das, was fehlt.

 

Anmerkungen der_die Übersetzer_in:
(1) Satz der Logik: Tertium non datur: Das Dritte gibt es nicht.
(2) Chefinnen und Chefs: politische Leitung, die der militärischen Selbstverteidigungsstruktur übergeordnet ist
(3) programmierter Produktverschleiß, sogenannte »Produktvergreisung«
(4) Damit ist ganz Mexiko gemeint.
(5) Samir Flores Soberanes: Nahua-Aktivist der Frente en Defensa de la Tierra y del Agua, die gegen das Proyecto Integral von Morelos kämpft; war CNI-Mitglied und wurde am 21. Februar 2019 von Auftragskillern ermordet.
(6)  Neo-Malthusianismus: reaktionäre ökonomische »Bevölkerungstheorie«, die sich nach Robert Thomas Malthus benennt, einem englischen Theoretiker und Ökonomen des ausgehenden 18.  Jahrhunderts.

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