Worte der zapatistischen Frauen zur Eröffnung des Zweiten Internationalen Zusammentreffens der Frauen die kämpfen
ZAPATISTISCHE ARMEE DER NATIONALEN BEFREIUNG
MEXIKO.
Compañeras und Schwestern:
Willkommen auf zapatistischem Land.
Willkommen Schwestern und Compañeras der verschiedenen Geografien der fünf Kontinente.
Willkommen Compañeras und Schwestern aus Mexiko und der Welt.
Willkommen Schwestern und Compañeras der Netzwerke des Widerstandes und der Rebellion.
Willkommen Compañeras des Nationalen Indígena Kongress-Indigener Regierungsrat
Willkommen Compañeras der Sexta National und International.
Willkommen Compañeras der Zapatistischen Unterstützungsbasis.
Compañeras Milicianas und Insurgentas [Anmk.: Milizinnen und Aufständische] der EZLN.
Schwestern und Compañeras:
Wir informieren dich, wer sich bis heute, den 26. Dezember 2019, für dieses Zweite Zusammenreffen registriert hat:
3.259 Frauen
95 Kinder
26 Männer
Aus den folgenden Länder:
1. Deutschland
2. Algerien
3. Argentinien
4. Australien
5. Bangladesch
6. Baskenland
7. Belgien
8. Bolivien
9. Brasilien
10. Chile
11. Costa Rica
12. Dänemark
13. Dominikanische Republik
14. Ecuador
15. El Salvador
16. England
17. Finnland
18. Frankreich
19. Griechenland
20. Großbritannien
21. Guatemala
22. Honduras
23. Indien
24. Irland
25. Italien
26. Japan
27. Kanada
28. Katalonien
29. Kolumbien
30. Kurdistan
31. Mazedonien
32. Neuseeland
33. Norwegen
34. Österreich
35. Paraguay
36. Peru
37. Polen
38. Puerto Rica
39. Russland
40. Sibirien
41. Spanien
42. Sri Lanka
43. Schweden
44. Schweiz
45. Türkei
46. Uruguay
47. Venezuela
48. Vereinigte Staaten von America
49. Mexiko
Compañera und Schwester:
Wir sind sehr froh, dass du zu uns in die Berge kommen konntest.
Auch wenn du nicht kommen konntest, grüßen wir dich dennoch, weil du verfolgst, was hier im Zweiten Internationalen Zusammentreffen der Frauen die kämpfen, geschieht.
Wir wissen gut, dass es dir schwer fiel hier her zu kommen.
Wir wissen gut, dass du deine Familie und Freundschaften verlassen musstest.
Wir wissen gut, dass es dich Mühe und Arbeit gekostet hat, die Reisekosten von deiner Geografie bis zu unseren aufzubringen.
Aber wir wissen auch, dass dein Herz ein bisschen erfreut ist, dass du dich hier mit anderen Frauen, die kämpfen, treffen wirst.
Vielleicht hilft es dir in deinem Kampf, andere Kämpfe als Frauen, die wir sind, zu hören und kennenzulernen.
Auch wenn wir einverstanden oder nicht einverstanden sind, mit anderen Kämpfen und ihren Weisen und Geografien, nützt es uns allen zuzuhören und zu lernen.
Aber es geht nicht darum zu konkurrieren, um zu sehen, welches der beste Kampf ist, sondern darum zu teilen und uns mitzuteilen.
Deshalb bitten wir dich immer Respekt vor den unterschiedlichen Denken und Weisen zu haben.
Alle die wir hier sind, und viele andere, die nicht hier sind, sind Frauen die kämpfen.
Wir haben unterschiedliche Weisen, das ist wahr.
Aber wie du siehst, denken wir als Zapatistas, die wir sind, dass es nicht nützt, dass wir alle gleich Denken und Handeln.
Wir denken nicht, dass der Unterschied eine Schwäche ist.
Wir denken, dass der Unterschiede eine mächtige Kraft ist, wenn Respekt und Einverständnis besteht, gemeinsam zu kämpfen aber kein Streit.
Also bitten wir dich, dass du deinen Schmerz, deine Wut und deinen Kampf mit Würde teilst.
Und dass du andere Schmerzen, andere Wut und andere würdige Kämpfe respektierst.
Compañera und Schwester:
Wir haben alles Mögliche veranlasst, damit du zufrieden und sicher bist.
Das scheint leicht gesagt, aber wir wissen gut, dass es nur noch wenige Orte auf der Welt gibt, wo wir zufrieden und sicher sein können.
Und deshalb sind wir hier, weil uns unser Schmerz und unsere Wut über die Gewalt, die wir Frauen erleiden, aufgrund des Delikts, dass wir Frauen sind, herbringt.
Wie du in diesen Tagen sehen wirst, wird an diesem Ort die Anwesenheit von Männern nicht erlaubt.
Egal, ob es gute Männer sind, ob es duchschnittliche Männer sind, oder ob es ´Da-ist-nichts-zu-machen-Männer` sind, sie können in diesen Tagen nicht hier sein.
Dieser Ort und diese Tage sind nur für Frauen die kämpfen.
Dass heißt nicht jede beliebige Frau.
Die Compañeras Insurgentas und Milicianas sind damit beauftragt auf uns aufzupassen und uns in diesen Tagen und an diesem Ort zu beschützen.
Wir haben uns auch Mühe gemacht, damit du einen Ort zum ausruhen, zum essen und zum waschen hast.
Sowohl beim Ausruhen, als auch beim Essen und Waschen, bitten wir dich darum Schwestern und Compañera zu sein, vor allem gegenüber den Frauen gehobenen Alters.
Wir müssen sie respektieren, das sie nicht neu im Kampf der Frauen sind, die wir sind.
Ihre weißen Haare, ihre Krankheiten, ihre Falten haben sie nicht erhalten, indem sie sich dem patriarchalen System verkauft haben.
Auch haben sie sich nicht dem Machismus ergeben.
Noch weil sie sich verraten haben, dass heißt ihre Ansichten des Kampfes für die Rechte der Frauen, die wir sind.
Sie sind die, die sie sind, weil sie sich nicht verkauft, aufgegeben, noch verraten haben.
Und die Frauen gehobenen Alters bitten wir auch darum, die Jüngeren, seien es Jugendliche oder Mädchen, zu respektieren.
Denn sie betrifft dieser Kampf auch. Und ihnen fehlt weder Entscheidung noch Bereitschaft.
Wenn wir nicht zulassen, dass die Geografien uns spalten, dann lassen wir auch nicht zu, dass uns die Kalender entzweien.
Alle, ganz gleich welchen Kalender wir mit uns tragen oder der Geografie, in der wir leben, befinden uns in derselben Situation: im Kampf für unsere Rechte als Frauen, die wir sind.
Zum Beispiel unser Recht auf Leben.
Und hier ist es, wo wir traurig und voll Leid sind, denn, nach mehr als einem Jahr nach dem Ersten Zusammentreffen, können wir keine guten Resultate geben.
Auf der ganzen Welt werden Frauen weiterhin ermordet, verschwundengelassen, vergewaltigt, missachtet.
Dieses Jahr hat die Anzahl der Vergewaltigten, der Verschwundengelassen und Getöteten nicht aufgehört.
Wir wissen, dass sie zugenommen haben.
Und wir als Zapatistas betrachten das als sehr gravierend.
Deshalb haben wir dieses Zweite Zusammentreffen mit nur einem Schwerpunkt einberufen: die Gewalt gegen Frauen.
Schwester und Compañeras, du, die kommen konnte und du, die nicht kommen konnte:
Wir wollen dich anhören und anschauen, denn wir haben Fragen.
Wie hast du dich organisiert?
Was hast du gemacht?
Was ist passiert?
Denn erinnere dich, als das Erste Zusammentreffen stattfand, haben wir uns verpflichtet uns zu organisieren an unseren Orten, damit es keine Ermordeten, Verschwundengelassenen, Gedemütigten, Missachteten mehr gibt.
Aber wir sehen, dass es noch schlimmer ist.
Sie sagen, dass es Geschlechtergleichheit gibt, denn in den schlechten Regierungen gibt es genauso Männer und Frauen die herrschen.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es mehr Rechte in der Entlohnung der Frauen gibt.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es viele Fortschritte in den feministischen Kämpfen gibt.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass die Frauen nun eine stärkere Stimme haben.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass die Frauen nun Beachtung finden.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es nun mehr Gesetze gibt, die die Frauen schützen.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es nun gern gesehen wird, gut über die Frauen und ihre Kämpfe zu sprechen.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es Männer gibt, die den Kampf der Frauen, die wir sind, verstehen und sich sogar Feministen nennen.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass die Frau nun in mehr Räumen präsent ist.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es sogar schon Superheldinnen in Spielfilmen gibt.
Aber sie töten uns weiterhin.
Sie sagen, dass es schon mehr Bewusstsein für den Respekt gegenüber Frauen gibt.
Aber sie töten uns weiterhin.
Jedesmal mehr Ermordete.
Jedesmal brutaler.
Jedesmal mit mehr Groll, Zorn, Missgunst und Hass.
Jedesmal mit mehr Straflosigkeit.
Das heißt mit immer mehr Machos, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden, die ohne Strafe davonkommen, als wäre nichts, als wäre eine Frau zu töten, verschwindenzulassen, auszubeuten, auszunutzen, anzugreifen, zu missachten, etwas x-beliebiges.
Sie töten uns weiterhin und bitten uns auch noch, verlangen von uns, befehlen uns, dass wir uns gut benehmen.
Und man kann es kaum glauben, aber wenn eine Gruppe von Arbeitern und Arbeiterinnen eine Straße dicht machen, oder streiken, oder protestieren, gibt es einen großen Skandal.
Sie sagen, dass sie die Rechte der Waren, der Autos, der Dinge verletzen.
Und in den Kommunikationsmedien gibt es Fotos, Videos, Reportagen, Analysen und Kommentare gegen diese Proteste.
Aber wenn eine Frau vergewaltigt wird, ist es nur eine Zahl mehr oder weniger in ihren Statistiken.
Und wenn die Frauen protestieren und die Steine [Anmk.: gemeint Denkmäler] derer von Oben beschmieren, die Fensterscheiben derer von Oben zerbrechen, jenen von Oben ihre Wahrheit entgegen schreien, ja dann gibt es Lärm.
Aber wenn sie uns verschwindenlassen, wenn sie uns umbringen, dann ändern sie nur eine Nummer: ein Opfer mehr.
Als ob der Mächtige klarstellen möchte, dass das, was zählt sein Profit ist, nicht das Leben.
Was zählt sind die Autos, die Steine, die Fensterscheiben, die Waren.
Das Leben zählt nichts.
Und ist es das Leben einer Frau, dann zählt es noch weniger.
Deshalb denken wir als Zapatistas, die wir sind, das heißt antikapitalistisch und antipatriarchal, darüber nach, warum das System so handelt.
Dann erscheint es, dass unsere gewaltsam Getöteten, unsere Verschwundengelassenen, unsere Schmerzen ein Gewinn für das System sind.
Denn das System lässt nur zu, was ein Nutzen, was ein Profit für es darstellt.
Deshalb sagen wir, dass das kapitalistische System patriarchal ist.
Es gilt und befiehlt das Patriarchat, auch wenn die Aufseherin eine Frau ist.
Wir denken daher, um für unsere Rechte zu kämpfen, zum Beispiel das Recht auf Leben, reicht es nicht, dass wir gegen den Machismus, das Patriarchat oder wie ihr es nennen wollt, kämpfen.
Wir müssen auch gegen das kapitalistische System kämpfen.
Es geht zusammen, verbunden, sagen wir, die Zapatistinnen.
Aber wir wissen, dass es andere Ansichten und andere Weisen des Kampfes gibt, als Frauen, die wir sind.
Vielleicht verstehen wir etwas.
Vielleicht lernen wir etwas.
Deshalb haben wir alle Frauen die kämpfen, eingeladen.
Unabhängig, was ihre Ansichten und ihre Weisen sind.
Was zählt ist, dass wir für unser Leben kämpfen, jetzt mehr denn je, welches in Gefahr ist an allen Orten und in allen Zeiten.
Auch wenn sie sagen und predigen, dass es viele Fortschritte für die Frauen gibt, ist die Wahrheit, dass nie zuvor in der Geschichte der Menschheit Frausein so tödlich war.
Siehst du Compañera und Schwester, dann sagen sie, dass jener oder welcher Beruf am gefährlichsten sei.
Dass es am gefährlichsten ist, Journalist zu sein, oder Unterdrückungs-Einsatzkräfte, oder Richter, oder schlechte Regierungen.
Aber du und wir wissen, dass es nun auf der Welt am gefährlichsten ist Frau zu sein.
Egal, ob Mädchen, Jugendliche, Erwachsene oder schon gehobenen Alters.
Egal ob weiß, gelb, rot oder von der Farbe der Erde.
Egal ob dick, dünn, groß, klein, hübsch oder häßlich.
Egal ob untere Schicht, Mittelschicht oder gehobene Schicht.
Egal welcher Sprache, Kultur, Glauben oder Militanz.
Angesichts der Gewalt geht es nur darum eine Frau zu sein.
Schwester und Compañera:
Als Zapatistas, die wir sind, wissen wir, dass sie uns viele Beispiele von Frauen geben werden, die Fortschritte erzielt haben, die triumphiert haben, die Preise gewonnen haben und gute Löhne, die Erfolg gehabt haben, wie sie sagen.
Wir antworten, indem wir über die Vergewaltigten, die Verschwundengelassenen, die Ermordeten sprechen.
Dann sagen wir ihnen, dass die von Oben von den eroberten Rechten von einigen wenigen von Oben sprechen.
Dann sagen wir ihnen, erklären wir ihnen, schreien wir ihnen entgegen, dass das grundlegendste der Rechte für alle Frauen fehlt, das Wichtigste: Das Recht auf Leben.
Und wir haben es schon oft gesagt, Compañera und Schwester, aber nun wiederholen wir es:
Das Recht auf Leben und alle Rechte, die wir verdienen und brauchen, wird uns niemand schenken.
Sie wird uns nicht der schlechte, der gute, der durchschnittliche oder ´Da-ist-nichts-zu-machen` Mann geben.
Sie wird uns nicht das kapitalistische System geben, auch wenn es noch so viele Gesetze und Versprechen macht.
Das Recht auf Leben und alle anderen Rechte müssen wir erobern.
Zu jeder Zeit und an jedem Ort.
Das heißt für die Frauen die kämpfen gibt es keine Ruhe.
Schwester und Compañera:
Wir müssen uns verteidigen.
Verteidigen wir uns selbst, als Individuen und als Frauen.
Und vor allem müssen wir uns organisiert verteidigen.
Uns allen helfen.
Uns alle schützen.
Uns alle verteidigen.
Und wir müssen jetzt damit beginnen.
Meine Compañeras Koordinatorinnen des Zusammentreffens haben mich damit beauftragt euch diese Worte zu sagen, weil ich Mutter einer Tochter, die mit mir hier ist.
Denn unsere Pflicht als Frauen, die wir kämpfen, ist es uns zu beschützen und zu verteidigen.
Und noch mehr, wenn die Frau gerade mal ein kleines Mädchen ist.
Wir müssen sie beschützen und verteidigen, mit allem, was wir haben.
Und wenn wir nichts mehr haben, dann mit Stöcken und Steinen.
Wenn es keine Stöcke noch Steine gibt, dann mit unserem Körper.
Mit Fingernägeln und Zähnen muss beschützt und verteidigt werden.
Und den Mädchen beibringen sich zu schützen und zu verteidigen, wenn sie heranwachsen und ihre eigenen Stärken haben werden.
So sieht es aus, Schwester und Compañera, wir müssen in der Verteidigung leben.
Und wir müssen unsere Kinder lehren zur Verteidigung heranzuwachsen.
Solange bis sie ohne Angst geboren werden, heranwachsen und aufwachsen können.
Wir als Zapatistas denken, dass es dafür besser ist, organisiert zu sein.
Wir wissen, dass es auch jene gibt, die denken, dass man es auch individuell kann.
Aber wir machen es organisiert, als Zapatistas, die wir sind.
Weil wir Frauen sind, die kämpfen, aber wir sind zapatistische Frauen.
Deshalb Compañera und Schwester, das Resultat, das wir dir geben, ist, dass es unter unseren Compañeras in diesem Jahr keine Ermordete noch Verschwundengelassene gab.
Es gab einige Fälle, laut unserer letzten Versammlung, von Gewalt gegen Frauen.
Und wir sehen zu die Verantwortlichen, alles Männer, zu bestrafen.
Und so sehen es nicht nur die autonomen Autoritäten, auch wir, als zapatistische Frauen, die wir sind, sehen es so.
Und wir sagen dir auch ehrlich, dass wir manchmal auch untereinander streiten, Compañera und Schwester. Wir streiten wegen Nichtigkeiten als Frauen, die wir sind.
Vielleicht verlieren wir Zeit in diesen dummen Streitereien, da wir jetzt am Leben und sicher sind.
Denn es gab eine Zeit, in der wir nur den Tod lebten.
Und ganz ehrlich, betrachtend, wie es um die Dinge in deinen Welten steht, fühle dich nicht beleidigt Schwester und Compañera, aber wir wünschen, dass hoffentlich der Tag kommt, an dem ihr diskutiert und streitet darüber, wer die Schönste, die Jüngste, die Intelligenteste ist, die am besten Angezogene, die mit den meisten Freunden oder Freundinnen, oder Ehemännern oder Ehefrauen, oder weil ihr die gleiche Kleidung tragt, oder weil eure Kinder die Besten oder Schlechtesten sind, oder diese Dinge des Lebens.
Denn dieser Tag bedeutet, Compañera und Schwester, dass das Leben kein Problem mehr ist.
Dann können wir vielleicht genauso dumm wie die Männer sein und Witze und Blödheiten machen.
Oder vielleicht auch nicht, vielleicht verstehen wir dann, am Leben und frei, dass es andere Probleme, andere Diskussionen und andere Streitereien gibt.
Aber bis dieser Tag kommt, Schwester und Compañera, müssen wir auf einander achtgeben.
Uns gegenseitig beschützen.
Und uns gegenseitig verteidigen.
Denn du weißt Compañera und Schwester, dass wir in einem Krieg sind.
Sie sind es, weil sie uns töten.
Wir sind es, um zu leben, aber ohne Angst, also um frei zu leben.
Und wegen diesem Schmerz, dieser Wut, die wir haben, weil wir nicht frei leben können, möchten wir einen Schrei der Wut in die ganze Welt senden.
Und auch einen Hauch des Kampfes an alle und jede einzelne Frau, die von physischer und aller Arten von Gewalt betroffen sind.
Und, als zapatistische Frauen, möchten wir den Familien und Freundschaften der verschwundengelassenen und ermordeten Frauen eine besondere Umarmung schicken.
Eine Umarmung, die sie wissen lässt, dass sie nicht alleine sind, dass wir, auf unsere Weise und an unseren Orten, ihre Forderung nach Wahrheit und Gerechtigkeit, begleiten.
Denn deshalb versammeln wir uns Schwester und Compañera.
Um unseren Schmerz und unsere Wut herauszuschreien.
Um uns zu begleiten und zu bestärken.
Um uns zu umarmen.
Um zu wissen, dass wir nicht alleine sind.
Um Wege der Unterstützung und Hilfe zu suchen.
Dies ist unser kleines Wort, Schwester und Compañera.
Die Insurgentas und Milicianas haben für gleich ein Gespräch, entsprechend ihrer Art, vorbereitet. Und damit erinnern wir dich an das Lichtlein, welches wir dir beim Ersten Zusammentreffen gegeben haben.
Etwas später werden die Arbeiten dieser Versammlung beginnen und den gesamten Tag den Anklagen widmen.
Wir werden diesen Ort und diesen Tag haben, um die Gewalt, die wir erleiden, anzuklagen.
Heute gibt es nur eine Arbeitsgruppe der Anklagen und hier das offene Mikrofon.
Hier können wir das Wort weitergeben und ergreifen und unsere Wut, unseren Zorn rauslassen, über all das, was sie mit uns machen.
Und wir alle werden mit Aufmerksamkeit und Respekt zuhören.
Niemand sonst wird hören, was wir sagen.
Nur wir, die wir Frauen sind, die kämpfen, und die hier anwesend sind.
So ohne Scham, Schwester und Compañera, sagt deutlich euren Schmerz, weint euren Zorn, schreit eure Wut.
Und sei dir gewiss, dass zumindest wir, die Zapatistinnen, dir einen Platz in unserem kollektiven Herzen geben, und durch uns, die wir hier sind, werden dich zehntausende indigene zapatistische Frauen begleiten.
Und morgen müssen wir die Ideen, Arbeiten und Erfahrungen, die ihr mitbringt, teilen, um die Wege zu suchen, damit dieser Albtraum aus Schmerz und Tod aufhört.
Und den letzten Tag dieses Zusammentreffens werden wir der Kultur, der Kunst und des Festes widmen.
So schreien wir einen Tag unsere Schmerzen und Wut heraus.
Am anderen Tag teilen wir Ideen und Erfahrungen.
Und am dritten Tag schreien wir vor Freude und Kraft.
Weil wir Frauen sind, die leiden.
Aber wir sind auch Frauen, die nachdenken und sich organisieren.
Und vor allem sind wir Frauen, die kämpfen.
So wird es sein.
Du weißt es also Compañera und Schwester, du bist eingeladen.
Du, die gekommen ist und du, die nicht da ist, aber die mit dem Herzen da ist.
-*-
Im Namen der zapatistischen Frauen jeden Alters, um 1357 Uhr, zapatistische Zeit, am 27. Dezember 2019, erkläre ich dieses Zweiten Internationalen Zusammentreffens der Frauen die kämpfen, hier in den Bergen des südöstlichen Mexikos, für eröffnet.
Aus dem Sämling “Spuren des Schreitens der Kommandantin Ramona”, Caracol Wirbelwind unserer Worte, den zapatistischen Bergen im Widerstand und Rebellion.
Kommandantin Amada.
Mexiko, Dezember 2019.
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