VOTÁN II.
Die Beschuetzer und Beschuetzerinnen
Juli 2013.
Gut, jetzt ist es aber an der Zeit, Ihnen zu erklaeren, wie das mit der kleinen Schule sein wird (Schulmaterial, Lehrmethode, die Lehrer und Lehrerinnen, die Themen, Unterrichtszeiten usw.) das erste ist daher………..
Was man benoetigt
Das Einzige, was Sie wirklich brauchen, um an der kleinen zapatistischen Schule teilzunehmen (abgesehen davon, dass Sie eingeladen sein muessen und die einhundert Pesos fuer Buch und DVD) ist die Bereitschaft zum Zuhoeren.
Daher muessen Sie nicht auf die Ratschlaege und Empfehlungen jener Personen hoeren, so gut die das auch meinen, die sagen, dass sie diese oder jene Ausruestung mitnehmen sollen und damit angeben dass «sie in einer Comunidad waren”.
Jene, die wirklich in einer Comunidad gewesen sind, prahlen nicht damit und wissen sehr wohl, dass das, was man in Wirklichkeit braucht, die Faehigkeit ist zu schauen und zu hoeren. Denn Menschen die gekommen sind, um mit uns zu sprechen (und die versuchten, uns zu belehren oder uns ihre Almosen in Form von Geld oder “Weisheit” anzubieten) hat es viele gegeben und es wird noch viele, zu viele davon geben. Jene, die gekommen sind um zuzuhoeren, sind sehr Wenige. Aber darueber werde ich Ihnen bei einder anderen Gelegenheit erzaehlen.
Das heisst, kaufen Sie nichts Besonderes (ich habe gelesen, dass jemand nur ein Paar alte Tennisschuhe hat, super). Bringen Sie irgendein Heft und einen Bleistift oder Kugelschreiber mit. Es ist nicht noetig, dass Sie Ihren Computer, esmarfon, Tablet oder was immer jetzt gerade modern ist, mitschleppen, aber wenn Sie wollen, koennen Sie das alles mitbringen. Nur, es gibt keinen Handy-Empfang in den Orten, in denen Sie untergebracht werden. In einigen Caracoles gibt es Internet, aber die Geschwindigkeit ist, also wie soll ich Ihnen das erklaeren…..wie “Pegaso”, das Reittier von Durito. Ja, Sie koennen Ihren – wie heisst noch mal das Ding zum Musik hoeren – mitbringen. Ja, Sie koennen Kamara und Aufnahmegeraet mitbringen. Ja, Sie koennen aufnehmen und Fotos machen und auch Videos, aber unter Befolgung der Regeln die Ihnen der Subcomandante Insurgente Moises noch mitteilen wird. Ja, Sie koennen Ihren Teddybaeren oder Aehnliches mitbringen.
Dinge, die nuetzlich sein koennen, sind folgende: eine Taschenlampe. Ihre Zahnbuerste und ein Handtuch (falls Sie Lust haben und es moeglich ist, dass Sie sich baden). Wenigstens ein Satz Kleider zum Wechseln, falls Sie sich mit Schlamm vollspritzen. Ihre Medikamente, wenn Sie welche brauchen und wenn man Ihnen die verschrieben hat. Ein Plastiksackerl fuer Ihren Ausweis und Ihr Geld (beides sollten Sie immer mit sich tragen – den Ausweis wird man nur bei der Registrierung von Ihnen verlangen, um zu sehen, dass Sie wirklich Sie sind). Ein anderes Plastiksackerl fuer das Schulmaterial, das Sie erhalten werden. Und Ihre Kleider (Unterwaesche – wenn Sie welche verwenden – und Oberkleidung) sollten Sie auch in Plastiksaecken verstauen.
Nicht vergessen: Sie koennen alles mitbringen was Sie wollen, aber alles muessen Sie selber tragen. Daher nichts mit “ich werde das Klavier mitnehmen, vielleicht habe ich Zeit, das do-re-mi-fa-sol-la zu proben”. Weiters duerfen Sie auch keinen Xbox, ps3 noch die alte Konsole von Atari mitbringen.
Was unerlaesslich ist, das koennen Sie nicht kaufen, aber das haben Sie schon in sich und Sie finden es, ausgehend von Ihrem Hals unten und links.
Gut, nachdem das alles geklaert ist, kommt jetzt die Liste von all dem, was Sie brauchen, um an der kleinen Schule in der Comunidad teilzunehmen. Ohne diese Requisiten WERDEN SIE NICHT AUFGENOMMEN.
– Fehlen der Bereitschaft zum spechen und urteilen.
– Bereitschaft zum Zuhoeren und Schauen.
– Ein Herz am richtigen Fleck.
Ohne jegliche Bedeutung sind daher Ihre Rasse, Ihr Alter, Ihr Geschlecht, Ihre sexuellen Praeferenzen, Ihr Herkunftsort, Ihre Religion, Ihre Schulbildung, Ihre Groesse, Ihr Gewicht, Ihr Aussehen, Ihre Ausruestung, Ihr “langjaehrige Mitgliedschaft” bei den Zapatisten…..noch Ihre Fussbekleidung oder Nicht-Fussbekleidung.
Aber das wohl, bringen Sie Ihre Stoeckelschuhe nicht mit, Sie stehen Ihnen zwar sehr gut, aber Sie werden Sie zerreissen, wenn Sie Ihre ersten Schritte machen im…
Der Schulraum und der Stundenplan
Wir Zapatistinnen und Zapatisten sind der Meinung, dass der Ort zum Lehren – Lernen, also die Schule, die Gemeinschaft ist. Das heisst, die Gemeinde, die comunidad. Und die LehrerInnen und SchuelerInnen bilden diese Gemeinschaft, dieses Kollektiv. Alle, die Frauen und Maenner. Das heisst, es gibt keinen Lehrer oder Lehrerin, sondern ein Kollektiv, das lehrt, das zeigt, das bildet und darin und mit ihm lernt die Person und lehrt gleichzeitig.
Das heisst, wenn Sie am ersten Tag am Unterricht in der comunidad teilnehmen, (bei den anderen Unterrichtsformen ist es anders) erwarten Sie nicht, dass Sie die traditionelle Form einer Schule antreffen werden. Was wir fuer Sie vorbereitet haben, die “Aula” oder den “Klassenraum”, das ist kein geschlossener Raum, mit einer Tafel und einem Professor oder einer Professorin vorne, der/die seinen/ihren Schuelern Wissen vermittelt, sie benotet und sie bestraft (das heisst, sie in gute und schlechte Schueler einteilt), sondern der offene Raum einer Gemeinschaft. Und keine Gemeinschaft einer Sekte (hier leben Zapatisten und Nicht-Zapatisten, in manchen Faellen sogar Anti-Zapatisten zusammen), weder Vormachtstellung noch
Homogenitaet noch Abgeschlossenheit (das ganze Jahr ueber kommen Besucher aus unterschiedlichen Kalendern und Geographien), noch Dogmatismus (hier lernt man auch von den Anderen).
Daher kommen Sie nicht in eine Schule mit ueblichem Stundenplan. Sie werden die ganze Zeit in einer Schule sein, jeden Tag, so lange Ihr Aufenthalt dauert. Der wichtigste Teil Ihres Aufenthaltes in der kleinen zapatistischen Schule ist das Zusammenleben mit der Familie, die Sie empfaengt. Sie werden mit ihr Holz holen gehen, auf das Feld gehen, zum Fluss-Bach-zur Quelle gehen, Sie werden mit ihr kochen und essen (natuerlich werden Sie nur essen, was Ihnen nicht schadet oder was Ihre Ueberzeugung Ihnen vorgibt – wenn Sie zum Beispiel VegetarierIn oder VeganerIn sind, wird man Ihnen kein Fleisch geben, aber bitte sagen Sie das vorher, denn wenn die Compas ueber einen Besucher erfreut sind, bereiten Sie Huhn und cuche zu, und die comunidad oder die autonome Gemeinde oder die Junta der Guten Regierung nehmen dann oft von ihrem gemeinsamen Viehbestand eines und machen fuer alle eine Rindsuppe); Sie werden mit ihr ausruhen und vor allem, Sie werden mit ihr muede werden.
Das heisst, wie man so schoen sagt, in diesen Tagen sind Sie Teil einer indigenen zapatistischen Familie.
Und daher erlauben wir nicht, dass jemand mit seinem Zelt kommt. Daher gibt es ein Limit in der Teilnehmerzahl. Denn in diesem Land haben viele Platz, aber in den Huetten der Zapatistas gibt es nur fuer einige Platz. Wenn Sie zelten wollen, in der Natur leben wollen und die Romantik geniessen moechten, gut, aber nicht hier zu diesen Terminen.
Sie werden nicht mit Ihrer Gruppe, Ihrem Kollektiv, Ihrer “Bande” zusammen sein. Auch nicht mit anderen StaedterInnen. Wenn Sie mit Ihrer Familie kommen, mit IhremR PartnerIn, IhremR Nicht-Mehr-PartnerIn, dann koennen Sie mit diesen zusammen sein, wenn Sie das wuenschen, aber nur das. Da ist nichts mit “wir, die wir von dem oder jenem Ort kommen, wir werden zusammen bleiben um uns zu vergnuegen oder um zu plaudern oder am Schein des Lagerfeuers zu singen, oder was sonst noch immer”. Das koennen Sie in Ihrer Geographie oder anlaesslich eines anderen Kalenders machen. Hierher kommen Sie (oder Sie und Ihre Familie und IhrE PartnerIn oder IhrE Nicht-Mehr-PartnerIn) um am taeglichen Leben, am Wissen des zapatistischen indigenen Volkes aber natuerlich auch an dem der Indigenen, die keine Zapatisten sind teilzunehmen.
Das zapatistische Volk ist ein Volk, welches die Besonderheit hat, nicht nur die Maechtigen herausgefordert zu haben, auch nicht nur, 20 Jahre lang Rebellion und Widerstand aufrecht erhalten zu haben. Auch und vor allem ist es ein Volk, welches es geschafft hat (unter den Bedingungen, die Sie persoenlich kennen lernen werden) die zapatistische indigene Definition von Freiheit zu errichten, diese Freiheit die folgendermassen lautet: regieren und uns regieren, nach unserer Art und Weise, in unserer Geographie und in diesem Kalender.
Ja das vom “unsere Geographie und in diesem Kalender” stellt einen grossen Unterschied zu anderen Projekten dar. Nicht nur dass es darauf hinweist, dass es sich nicht um ein Modell handelt, welches man nachahmen kann (einige Dinge sind uns gelungen, andere nicht), noch handelt es sich um ein neues Evangelium oder um eine exportfaehige Mode. Es ist auch kein “Handbuch zur Konstruktion der Freihheit”. Nicht einmal fuer alle Originalvoelker Mexikos und noch viel weniger fuer die Voelker, die auf allen Teilen der Welt kaempfen.
Ausserdem, sehr wichtig, wir definieren eine Zeit. Was Sie sehen werden, das gilt fuer uns, Maenner und Frauen, im Jetzt. Neue Generationen werden ihre eigenen Wege bauen, mit ihrer eigenen Art und Weise und mit ihrem eigenen Zeitplan. Ein Konzept von Freiheit vererbt keine Sklaverei gegen sich selbst.
Denn fuer uns ist Freiheit folgendes: das Recht, sein eigenes Schicksal zu erbauen, ohne jemand, der befiehlt oder sagt, ob ja oder nein. In anderen Worten: unser Recht, hinzufallen und uns selbst wieder aufzurichten. Und wir wissen sehr wohl, dass das mit Rebellion und Wuerde erbaut wird, wohl wissend, dass es andere Welten und andere Vorgehensweisen gibt und dass, so wie wir, Maenner und Frauen, wir uns erbauen, jeder erbaut seine Identitaet, das heisst, seine Wuerde.
In der Woche, in der Sie mit einer zapatistischen Comunidad zusammenleben werden, werden Sie nur 2 mal an einem Meeting mit allen anderen SchuelerInnen im Caracol Ihrer Zone teilnehmen. Bei diesem Meeting, wo viele Farben und Vorgehensweisen aus den unterschiedlichsten Kalendern und Geographien vereint sein werden, wird ein Lehrer oder eine Lehrerin sich bemuehen, alle Fragen zu beantworten, alle Zweifel aufzuklaeren, die Ihnen anlaesslich Ihres Aufenthaltes gekommen sind. Das deshalb, weil wir dachten, dass es fuer Sie gut ist, die Zweifel zu kennen, die zum Beispiel jemand hat, der von einem anderen Land kommt, einem anderen Kontinent, einer anderen Stadt, einer anderen Realitaet.
Aber das Grundlegendste der kleinen Schule lernen Sie vom…..
Votán.
Monatelang haben sich Tausende von zapatistischen Familen vorbereitet, um jene zu empfangen, die zur kleinen zapatistischen Schule in die comunidad kommen. Zusammen mit ihnen haben sich Tausende von Maennern und Frauen, Indigene und Zapatistaen zu einem Votán ausgebildet, sowohl individuell als auch als Kollektiv.
Sie muessen daher wissen, was der Platz des Votán in der kleinen Schule ist. Denn der Votán ist, wie man so schoen sagt, das Rueckgrad der kleinen Schule. Er ist die Methode, der Lehrplan, der Lehrer-die Lehrerin, die Schule, der Klassenraum, die Tafel, das Heft, der Bleistift, die Schulbank mit dem Apfel, die Pause, die Pruefung, die Abschlusspruefung, der Talar und Doktorhut.
Darueber, was Votán” (oder “Uotán”, oder “Wotán”, oder “Botán”) bedeutet wurde viel geschrieben und gesprochen: zum Beispiel, dass es dieses Wort in der Maya-Sprache nicht gibt, sondern nur ein schlecht gehoertes und schlecht uebersetztes Wort fuer “Ool Tá aan” sei, was soviel heisst wie “Das Herz das spricht” und das bezieht sich auf Erdbeben, oder das Knurren des Jaguar, oder das Klopfen des Herzes der Erde, oder das Herz des Himmels, oder das Herz des Wassers, oder das Herz des Berges, oder alles Obige zusammen und noch etwas mehr. Aber wie bei fast allem, wenn man von den Original-Voelkern spricht, handelt es sich um Versionen von Versionen jener, die versuchten diese Laender und ihre Bewohner zu unterjochen (manchmal mit dem Wissen). Das heisst, wenn Sie nicht daran interessiert sich ueber Versionen von Verisonen zu ergehen (die die wahren Begruender ausser Acht lassen), hier beziehen wir uns auf die Bedeutung die die Zapatistinnen und Zapatisten dem Votán” gegeben haben. Und das heisst ungefaehr “Beschuetzer und Herz des Volkes”, oder “Beschuetzer und Herz der Erde”, oder “Beschuetzer und Herz der Welt”.
Jeder Schuler und jede Schuelerin der kleinen Schule wird seinen Votán, seinen Beschuetzer oder seine Beschuetzerin haben, ohne Ruecksicht auf Alter, Geschlecht und Rasse des Schuelers oder der Schuelerin.
Das heisst, abgesehen von der Familie, mit der Sie in diesen Tagen zusammen leben werden, werden Sie Ihren Tutor oder Tutora haben, der/die Ihnen helfen wird, zu verstehen, was die Freiheit nach den ZapatistInnen bedeutet.
Die BeschuetzerInnen sind Personen wie alle anderen. Nur dass sie sich gegen den Maechtigen, der sie ausbeutete, verachtete, beraubte und unterdrueckte, aufgelehnt haben und dafuer haben sie ihr Leben eingesetzt. Trotz alledem, der Votán, der wir sind, ist kein Prediger des Totenkultes, er verherrlicht nicht die Macht sondern geht durch das Leben, im taeglichen Kampf um die Freiheit.
Ihr persoenlicher Votán, Ihre Beschuetzerin oder Ihr Beschuetzer wird Ihnen unsere Geschichte erzaehlen, wird Ihnen erklaeren, wer wir sind, wo wir sind, warum wir kaempfen, wie wir das machen, mit wem wir das tun. Er wird Ihnen von unseren Erfolgen und ueber unsere Fehler erzaehlen, wird mit Ihnen zusammen die Schulbuecher durchgehen, wird Ihnen so weit als moeglich Ihre Zweifel aufklaeren (wenn er das nicht kann, gibt es dann dafuer das Meeting), er wird mit Ihnen auf Spanisch sprechen (die Familie, mit der Sie zusammenleben werden, wird immer in ihrer Muttersprache sprechen), er wird uebersetzen, was die Familie sagt, und er uebersetzt der Familie, was Sie sagen moechten oder wissen moechten, er wird mit Ihnen gehen, er geht mit Ihnen aufs Feld, Holz oder Wasser holen, wird mit Ihnen kochen und essen, singen und tanzen, er wird in Ihrer Naehe schlafen, er wird Sie begleiten, wenn Sie zum WC gehen, er wird Ihnen sagen, welche Tierchen Sie vermeiden sollen, wird darauf achten, dass Sie Ihre Medikamente einnehmen, zusammenfassend: er lehrt und beschuetzt Sie.
Ihn koennen Sie alles fragen: ob wir wirklich eine Ausgeburt vom Salinas sind, ob der SupMarcos bereits tot ist oder sich an einem europaeischen Strand braeunt, ob der SubMoy kommen wird, ob die Welt rund ist, ob er an die Wahlen glaubt, ob er Anhaenger von Jaguares ist etc. etc. etc. etc. Im Gegensatz zu anderen LehrerInnen wird der Beschuetzer, die Beschuetzerin sagen, “ich weiss es nicht”, wenn er eine Frage nicht beantworten kann.
Ausserdem wird Ihr Votán auch Ihr Simultandolmetscher sein, der keine Batterien braucht. Denn hier wird man mit Ihnen, so weit als moeglich, immer in der Muttersprache sprechen. Nur der Beschuetzer/die Beschuetzerin koennen mit Ihnen Spanisch sprechen. So werden Sie fuehlen, was passiert, wenn einE IndigenerE versucht, die dominierende Sprache zu sprechen. Der grundsatzliche Unterschied wird aber sein, dass Sie hier nicht mit Missachtung und Spott behandelt werden, weil Sie nicht verstehen, was man Ihnen sagt oder weil Sie eine schlechte Aussprache haben. Ja, es wird Gelaechter geben, aber solches, das Sympathie ausdrueckt ueber Ihre Anstrengung zu verstehen und sich verstehen zu machen. Und Achtung, Ihr Votán wird nicht nur Woerter uebersetzen, sondern auch Farben, Duefte, Toene, ganze Welten, das heisst, eine Kultur.
Im Meeting, an dem Sie mit Ihren MitschuelerInnen der Zone teilnehmen werden, duerfen Sie keine Frage direkt an den Lehrer oder die Lehrerin stellen, sondern muessen das ueber Ihre Beschuetzerin/Ihren Beschuetzer tun, er/sie uebersetzt dann fuer den Lehrer, der in seiner Muttersprache antwortet, und der/die BeschuetzerIn uebersetzt dann fuer Sie. Natuerlich bleibt Ihnen der Zweifel, ob Ihre Frage richtig uebersetzt wurde und ob die Antwort, die Sie erhalten, die ist, die der Lehrer gab. Aber sagen sie nicht, dass es gerechtfertigt ist, dass ein Indigener / eine Indigene vor den Instanzen der Regierung mit einem Uebersetzer von Woertern erscheint? Oder werden dort Kulturen uebersetzt? Dann werden Sie naemlich verstehen, dass das, was sie als “Gleichheit vor dem Gesetz” nennen, ein weiteres der vielen Schreckgespenster der Gesetzgebung auf unserer Welt ist. Wo ist die Gleichheit vor dem Gesetz, wenn die Uebersetzung der Woerter “Freiheit”, “Demokratie”, “Gerechtigkeit” mit den gleichen Woertern geschieht durch jene, die uns versklaven moechten, uns berauben moechten, uns zum verschwinden bringen moechten? Wo ist die Gleichheit wenn die Anklage, der Prozess und die Strafe von einem juristischen System ausgefuehrt wird, welches, abgesehen davon dass es korrupt ist, uns mit der Sprache des Gebieters auferlegt wird? Wo ist die Gerechtigkeit, wenn das System, das richtet, auf kulturellem Raub basiert?
Daher die Schule. Dafuer der Votán . Denn…
Él somos. (Er sind wir)
Ihr Votán ist ein grosses Kollektiv, konzentriert auf eine Person. Er oder sie spricht und hoert nicht wie eine Einzelperson. Jeder Votán sind wir alle, alle ZapatistInnen.
Vor einigen Wochen haben die Subcomandantes Moisés und Marcos den Posten des Sprechers / der Sprecherin des EZLN an Tausende von indigenen Maennern und Frauen fuer die Zeit der kleinen Schule abgegeben. Waehrend dieser Tage im August (und dann im Dezember und Jaenner) wird durch sie die Stimme des gesamten EZLN sprechen, mit ihrem Gehoer wird das EZLN hoeren, und in ihrem Herz wird das grosse Wir, das wir sind, schlagen.
Das heisst, in diesen Tagen der kleinen Schule werden Sie als Lehrer und Lehrerin niemand geringeren als die hoechste zapatistische Autoritaet, den obersten Kriegsherrn /Kriegsherrin der zapatistischen Befreiungsarmee haben: Votán.
Und Votán wird sich kuemmern um….
Die Maedchen und Buben.
Wenn der Schueler oder die Schuelerin minderjaehrig ist (12 Jahre oder weniger), wird eine Beschuetzerin fuer jedes Kind die Mutter oder den Vater die gesamte Zeit begleiten, sie wird helfen, es zu beschuetzen, sehen, dass es nicht krank wird, dass es seine Medikamente nimmt, dass es spielt, dass es lernt, dass es zufrieden ist. Wenn es schon lesen kann, wird sie mit dem Maedchen oder Buben das Schulbuch durchgehen, ihnen erzaehlen, wie die indigenen Kinder vor der Erhebung lebten und wie sie jetzt leben, sie wird ihnen schreckliche und wunderbare Geschichten erzaehlen, Maerchen, Witze, sie wird ihnen “das faerbige Mascherl” vorsingen. Und wenn sie schlimm sind, wird sie sagen, dass sie das nicht tun sollen, sonst kommt naemlich der SupMarcos mit seinem grossen Sack voller Kekse und er wird ihnen nicht einen einzigen geben, selbst wenn sie Tiere darstellen und der grosse Don Durito de La Lacandona wird ihnen nicht erzaehlen wie es war, als er ganz alleine gegen 3.141592 zahnlose Drachen kaempfte, noch die wunderbare Geschichte von Lucezita y el Gato-Perro welche, wie man mir erzaehlt hat, viel viel besser ist als Ironman, Batman, Los Vengadores, El Hombre Araña, X-Man, Wolverine, und was es sonst noch gibt.
Alle Maedchen und Buben, zusammen mit den Familienmitgliedern die sie begleiten, werden in der Naehe von San Cristobal de Las Casas untergebracht werden, zu den besten Bedingungen die wir anbieten koennen. Es werden besondere Plaetze fuer sie geschaffen, fuer Sie und ihre Muetter/Vaeter, damit sie nicht zu sehr frieren und damit sie nicht nass werden, wenn es regnet. Es werden auch compas anwesend sein, die gut ueber erste Hilfe und ueber die Gesundheit Bescheid wissen. Und fuer jeden Notfall werden 24 Stunden am Tag 2 Rettungsautos und 2 Autos zur Verfuegung stehen, um das Kind in die Stadt zu bringen, wenn es einen Doktor brauchen sollte, oder es werden Medikamente geholt, wenn das noetig sein sollte.
Zusammenfassend: die Kinder werden eine besondere Behandlung erhalten. Aber weder sie noch die Erwachsenen kommen um etwas herum, naemlich….
Die Bewertung.
Es ist die schwierigste, die Sie sich vorstellen koennen. Sie besteht nicht aus einer Pruefung, einer Thesis, einem multiple-choice-Test, es wird auch kein Pruefungskomitee geben, oder eine Gruppe von Pruefungsvorsitzenden mit Universitaetstiteln.
Die Bewertung wird Ihre Realitaet vornehmen, in Ihrem Kalender, Ihrer Geographie und Ihr Pruefungsvorsitzender wird……….ein Spiegel sein.
Dort werden Sie sehen, ob Sie die einzige Frage des Abschluss-Examens beantworten koennen: Was ist die Freiheit Deiner / Ihrer Ansicht nach?
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Vale. Salud und glauben Sie mir, ich spreche aus eigener Erfahrung, was man hier am meisten lernt ist es, zu fragen. Und es lohnt sich.
Aus den Bergen des Suedostens von Mexiko.
SupMarcos.
Méxiko, Juli 2013.
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Hoere und schau die Videos an, die diesen Text begleiten
Eduardo Galeano erzaehlt eine Anekdote eines Lehrers und seiner SchuelerInnen.
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Freiheit ist zum Beispiel, die Freiheit fuer alle gefangenen Mapuche zu verlangen. Das Lied heisst “Cosas Simples”, von der chilenischen Gruppe Weichafe (Guerrero).
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“Luna Zapatista”, von Orlando Rodríguez und Miguel Ogando, mit “El Problema del Barrio”, Zeichnungen von Juan Kalvellido. Edition des Video: Orlando Fonseca.
Uebersetzung: RedmycZ, Christine
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