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Palabra del Ejército Zapatista de Liberación Nacional

Mar022013

Sie und wir VI. Die Blicke 3. Einige andere Blicke.

Sie und wir

 

VI. Die Blicke 3.

 

3. Einige andere Blicke

 

Einer: ein Traum in diesem Blick

 

Es ist eine Strasse, ein Feld, eine Fabrik, ein Stollen, ein Wald, eine Schule, ein Warenhaus, ein Buero, ein Platz, ein Markt, eine Stadt, ein Feld, ein Land, ein Kontinent, eine Welt.

 

Der Herrscher ist schwer verletzt, die Maschine ist kaputt, die Bestie ist erschoepft, die Wilde gefangen.

 

Nutzlos waren die Namensaenderungen, die neuen Fahnen, die Schlaege, die Gefaengnisse, die Friedhoefe, das Geld, welches durch die tausend Arterien der Korrpution floss, die ´reality shows´, die religioesen Veranstaltungen, die bezahlten Anzeigen, die Cyber-Exorcismen.

 

Der Herrscher ruft seinen letzten Aufseher. Er  fluestert ihm etwas ins Ohr. Der Aufseher geht hinaus und steht der Masse gegenueber.

 

Er sagt, fragt, verlangt, fordert:

 

´Wir moechten zum Gespaech bitten, den……´

 

Er stockt, denn die Meisten, die ihm gegenueberstehen sind Frauen.

 

Er verbessert sich:

 

´Wir moechten zum Gespraech bitten, die….´

 

Er stockt wieder, die Anzahl der Anderen, die ihm gegenueberstehen ist nicht klein.

 

Wieder verbessert er sich:

 

´Wir moechten zum Gespraech bitten, und zwar den oder die, der die Fuehrung inne hat´.

 

Aus der schweigenden Masse treten eine alte Frau und ein Kind hervor, sie stellen sich vor dem Aufseher hin und mit unschuldiger und weiser Stimme sagen sie:

 

´Hier haben alle die Fuehrung inne´.

 

Der Aufseher erschaudert, und die Stimme des Herrschers erschaudert bei seinem letzten Aufschrei.

 

Der Blick wacht auf. ´Komischer Traum´, sagt man. Und ohne dass Kalender und Geographie wichtig waeren, geht das Leben weiter, der Kampf, der Widerstand.

 

Von diesem seltsamen Traum bleiben nur einige Worte in Erinnerung:

 

´Hier haben alle die Fuehrung inne´.

 

Zwei: Ein anderer Blick, von einem anderen Kalender und von einer anderen Geographie

 

(Fragment eines Briefes, den wir im Hauptquartier des ezetelene erhalten haben, ohne Datum)

 

´Ich gruesse Euch Compas.

(…)

Ich glaube, dass alles ein Wahnsinn war. Aber ich verschweige nicht, dass ich meine Betrachtungen  im nachhinein anstelle. Es waere sehr leicht zu behaupten, dass ich das Schweigen bestens verstanden haette und dass mich nichts ueberrascht haette. Falsch, auch mich hat das Schweigen ungeduldig gemacht (natuerlich hat das nichts mit der Behauptung zu tun, dass die Zapatisten in letzter Zeit nichts gesagt haetten, ich habe alle Anzeigen gelesen). Die Frage ist  – angesichts der vorteilhaften Tatsache, dass die Vorkommnisse bereits vorueber sind bzw. natuerlich noch im Gange sind –  also, natuerlich, ist die Schlussfolgerung logisch: wir stecken inmitten der verwegensten Initiative, zumindest seit der Erhebung der Zapatisten. Und das hat mit allem zu tun, nicht nur mit der nationalen Lage, sondern auch der internationalen, glaube ich.

Erlauben Sie mir, dass ich schreibe, was ich  – laut meiner Meinung – als  das Bedeutungsvollste an der Aktion des 21 (Dezember 2012) verstand. Natuerlich gibt es viele Dinge, die erwaehnenswert sind: die Organisation, die kaempferische Anstrengung,  die Vorfuehrung der Staerke, die zahlreiche Praesenz von Jugendlichen und Frauen etc. Aber was mich am staerksten beeindruckt hat, war, dass sie Platten angeschleppt hatten und dass sie mit diesen, nachdem sie auf den Hauptplaetzen angekommen waren, Tribuenen bauten.  Waehrend berichtet wurde, was da vorfaellt, spekulierten viele private Medie und einige der freien, ueber die bevorstehende Ankunft der zapatistischen Anfuehrer. Und sie haben nicht bemerkt, dass die zapatistischen Anfuehrer bereits praesent waren. Dass das die Menschen waren, welche auf die Tribuene stiegen und sagten, ohne zu sprechen ´hier sind wir, das sind wir und das werden wir sein´.

 

Auf die Tribuene stiegen die, denen das gebuehrt. Ich glaube, niemand ist das aufgefallen, und trotzdem, glaube ich, liegt dort der tiefe Sinn fuer eine andere Art, Politik zu machen. Das, was mit allem Alten bricht, das Einzige wirklich Neue, das Einzige was es wert ist zu besitzen (unleserlich im Original) ´21. Jahrhundert´.

 

Der plebejische und libertaere Kern von dem, was in der Geschichte in konjunkturellen  Momente geschehen ist, wurde hier ohne grosse theoretische Protzerei errichtet. Besser gesagt mit einer vergrabenen Praxis. Das Ganze dauert schon zu lang um es als Vorkommnis zu bezeichnen. Es handelt sich bereits um einen langen und soliden sozialhistorischen Prozess im Bereich der Selbstorganisation.

 

Zum Schluss haben sie dann ihre Tribuenen wieder abgebaut, wurden wieder zu Platten und wir alle sollten uns ein wenig schaemen und bescheidener und einfacher sein und wahrhaben, dass etwas Unerwartetes und Neues vor unseren Augen aufscheint und wir sollen schauen, schweigen, zuhoeren und lernen.

 

Mit herzlichen Gruessen. Ich hoffe, dass es Euch so weit wie moeglich gut geht.

 

Der Chueco´

 

 

Drei: ´Anleitungen, was zu tun ist, wenn ….Sie angeschaut werden´

 

Wenn Sie jemand ansieht, und Sie merken dass er/sie…

 

Sie nicht ansieht, als ob Sie durchsichtig waeren.

 

Sie nicht ueberzeugen will zum Jasagen noch zum Neinsagen

 

Sie nicht kooptieren will.

 

Sie nicht anwerben will.

 

Sie nicht leiten will

 

Sie nicht richten, bestrafen, freisprechen will.

 

Sie nicht benuetzen will.

 

Ihnen nicht sagen will, was Sie tun und was Sie lassen sollen.

 

Ihnen keine Ratschlaege, Empfehlungen oder Befehle geben will

 

Ihnen keine Vorwuerfe machen will, weil er nicht weiss, bzw. weil er was weiss

 

Sie nicht verachtet

 

Ihnen nicht sagen will, was Sie machen muessen und was Sie nicht tun duerfen

 

Weder Ihr altes Auto, Ihr Gesicht, Ihren Koerper, Ihre Zukunft, Ihre Wuerde noch Ihren Willen kaufen moechte

 

Ihnen nichts verkaufen will…

(Timesharing, einen Fernseher LCD in 4D, eine super-ultra-hypermoderne Maschine mit dem Instant-Krisenknopf (Vorsicht: nicht mit dem Knopf ´eject´ verwechseln, denn die Garantie inkludiert keinen Gedaechtnisschwund fuer laecherliche Medien), eine politische Partei, die die Ideologie wechselt wie das Hemd, eine Lebensversicherung, ein Lexikon, eine Vip-Eintrittskarte zum Event oder Revolution oder Himmel, die gerade modern sind, ein Moebelstueck auf Raten, ein Handy-Packet, eine Exclusiv-Mitgliedschaft, eine vom grosszuegiigen Fuehrer geschenkte Zukunft, ein Alibi um sich zu ergeben, zu verkaufen, nachzugeben, ein neues ideologisches Muster etc)

 

Dann…

 

Erstens: Vergewissern Sie sich vorab, dass es sich nicht um eineN Perversling handelt. Sie moegen noch so schmutzig, haesslich, schlecht und unhoeflich sein, aber, jedem das Seine, Sie haben diese geile, Sexy-Austrahlung, die man bekommt wenn man wie ein Wahnsinniger arbeiten muss und dieses ´gewisse Etwas´ kann die niedrigen Passionen in so manchen erwecken. Mmh…gut, ja, sich zu kaemmen waere nicht das Schlechteste. Wenn es sich also um keineN Perversling handelt, werden Sie nicht mutlos, die Welt ist rund und bewegt sich und setzen Sie weiter unten fort (in dieser Liste, selbstverstaendlich).

 

Zweitens: Sind Sie sicher, dass Sie es sind, wen er/sie anschaut? Oder ist es die Deodorant-Werbung hinter Ihnen? Oder denkt er/sie (der Sie anschaut halt): ´Ich glaube, so sehe ich aus, wenn ich mich kaemme? ´ Wenn Sie all das ausschliessen koennen, setzen Sie bitte fort.

 

Drittens: Er/sie sieht nicht wie ein Polizist aus der eine Einkommensaufbesserung sucht, die er seinem Vorgesetzten abfuehren muss? Wenn ja, laufen Sie was Sie koennen, es ist noch Zeit, damit Sie nicht Ihr Busgeld los werden. Wenn nein, gehen Sie bitte zum naechsten Punkt.

 

Viertens: Erwidern Sie den Blick mit ernster Miene. Ein Blick, gemischt aus Zorn, Bauweh, Aerger und look eines serial killers wuerde passen. Nein, so nicht, so sehen Sie wie ein Baer mit Verstopfung aus. Versuchen Sie es nochmals. Ok, schon ganz gut, aber proben Sie weiter. Nun: er/sie fluechtet nicht entsetzt? Er/sie wendet den Blick nicht ab? Er/sie kommt nicht naeher und ruft: ´Na so was, na so was, ich habe Dich nicht erkannt, aber mit dieser Geste…..´ Nein? Ok, setzen Sie fort.

 

Fuenftens: Wiederholen Sie die Schritte eins, zwei, drei und vier. Es kann Fehler in unserem System geben (wurde ja – eh klar – in China hergestellt). Wenn Sie wieder an diesem Punkt angelangt sind, gehen Sie zum naechsten weiter.

 

Sechstens: Es besteht die grosse Wahrscheinlichkeit, dass Sie jemand von der Sechsten getroffen haben. Wir wissen nicht, ob wir Ihnen gratulieren oder das Beileid aussprechen sollen. Jedenfalls, es ist Ihre Entscheidung und Ihre Verantwortung, ob Sie diesem Blick folgen.

 

Viertens: Ein Blick auf einen zapatistischen Posten

 

(Kalender und Geographie ohne Angaben)

 

SupMarcos: ´Beeilt Euch, die Zeit ist zu Ende.´

 

Die Gesundheits-Insurgente:

´He Sup, die Zeit geht nicht zu Ende, die Personen gehen zu Ende. Die Zeit kommt von sehr weit her und folgt ihren Weg bis weit weiiiiit doooort, wo wir nicht mehr hinsehen. Und wir sind wie Stueckchen der Zeit, das heisst, die Zeit kann nicht gehen, wir aber schon. Was wir machen ist dass die Zeit geht und wenn wir vergehen, kommt ein anderer und er schiebt die Zeit eine Zeit lang an, bis man dort hin kommt, wo man hinkommen muss. Aber wir werden nicht schauen, wo das ist, wo man hinkommt, denn Andere werden das sehen, wenn es richtig ankommt,  aber es kann auch sein, dass ploetzlich die Kraft nicht ausreicht um anzukommen und dann muss nochmals und nochmals angeschoben werden, bis dass man halt wirklich ankommt.

 

(….)

 

Die Infanterie-Kapitaenin: ´Warum hast Du so lange gebraucht´?

 

Die Gesundheits-Insurgente:

´Ich habe mit dem Sup ueber Politik gesprochen, das heisst, ich habe ihm geholfen, damit er erklaeren kann, dass man weit schauen muss, so weit, wo weder Zeit noch Blick uns erreichen´.  

 

Die Infanterie-Kapitaenin: ´Aha, und dann

 

Die Gesundheits-Insurgente:

´Er bestrafte mich, weil ich mich bei der Arbeit nicht beeilte und er schickte mich auf den Posten. ¨

 

(….)

 

Fuenftens: Auszug aus ´Aufzeichnungen um den Winter zu beobachten´

 

(…)

 

Ja, alle bestiegen die Tribuene, mit erhobener Faust. Aber Sie haben nicht gut geschaut. Sie haben nicht auf den Blick dieser Maenner und Frauen geschaut. Sie haben nicht gesehen, dass sie bei der Ueberquerung oben den Blick nach unten wendeten und Tausende von Compañeros sahen. Das heisst, sie haben sich selbst angeschaut. Dort oben haben sie nicht gesehen, wie wir uns angeschaut haben. Dort oben haben sie nichts verstanden, und sie werden auch nie etwas verstehen.

 

Sechstens: Geben Sie hier Ihren Blick (oder Ihre Verfluchung, auch wenn sie nicht aus Minze ist )  ein:

 

 

 

 

 

(Fortsetzung folgt….)

 

Von irgendeinem Winkel aus irgendeiner Welt

 

SupMarcos

Planet Erde

 

Mexiko, Februar 2013

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Uebersetzung: RedMycZ, Christine Hoedl

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