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Palabra del Ejército Zapatista de Liberación Nacional

Jun052014

ZWISCHEN LICHT UND SCHATTEN

ZWISCHEN LICHT UND SCHATTEN.
.
In La Realidad, Planet Erde
Mai 2014.
Compañera, compañeroa, compañero:
Gute Nacht, Abend Tag, je nachdem, was Ihre Geographie ist, Ihre Zeit, Ihre Art.
Gutes Morgengrauen.
Ich möchte die Compañeras, Compañeros und Compañeroas der Sexta, die von überall
kommen, im Speziellen die Compañeros der freien Medien um Geduld, Toleranz und
Verständnis für das bitten, was ich sagen werde, denn das werden meine letzten Worte in
der Öffentlichkeit sein, bevor ich aufhöre zu existieren.
Ich wende mich an Sie und an alle jene, die uns durch Sie hören und anschauen.
Vielleicht wird zu Beginn, oder im Verlauf dieser Ansprache in Ihrem Herzen das Gefühl
wachsen, dass irgendetwas nicht stimmt, nicht zusammen passt, so als ob ein oder mehrere
Stücke fehlen würden, um das Puzzle zusammenzustellen, das sich vor Ihnen ausbreitet.
Denn wie das so ist, es fehlt was fehlt.
Vielleicht spaeter, Tage, Wochen, Monate, Jahre, Jahrzehnte nachher, versteht man, was
wir heute sagen.
Um meine Compañeras und Compañeros der EZLN bin ich nicht besorgt, denn das ist
sowieso unsere Art hier: vorwärts schreiten, kämpfen, immer mit dem Wissen, dass immer
fehlt was fehlt.
Außerdem, und dass sich niemand beleidigt, fühlt, die Intelligenz der zapatistischen compas
liegt weit über dem Durchschnitt.
Im übrigen erfüllt es uns mit Befriedigung und Stolz, dass wir vor Compañeras,
Compañeros und Compañeroas, sowohl des EZLN als auch der Sexta diese kollektive
Entscheidung bekannt geben dürfen.
Und es ist gut, dass es durch die freien, alternativen, unabhängigen Medien geschehen wird,
dass dieser Archipel von Schmerzen, Wut und würdigem Kampf, den wir uns “la Sexta”
bezeichnen, über das was ich sagen werde, egal wo immer er sich befindet, in Kenntnis
gesetzt wird.
Wenn noch jemand wissen möchte, was an diesem Tag geschehen ist, muss er sich an die
freien Medien wenden.
Also dann. Willkommen in der zapatistischen Wirklichkeit.
I.- Eine schwierige Entscheidung.
Als wir 1994 mit Blut und Feuer hereinbrachen und unterbrachen, war das nicht der Beginn
des Krieges für uns Zapatistinnen und Zapatisten.
Der Krieg von oben, mit dem Tod und der Zerstörung, der Beraubung und der Demütigung,
der Ausbeutung und das dem Besiegten auferlegte Schweigen, das haben wir schon seit
Jahrhunderten ertragen.
Was für uns 1994 beginnt ist einer der vielen Kriegsschauplaetze derer von Unten gegen
die von Oben, gegen ihre Welt.
Dieser Krieg des Widerstandes, der täglich auf den Straßen in jedem x-beliebigen Winkel
auf den fünf Kontinten, auf ihrem Land oder in ihren Bergen gekämpft wird.
Er war und ist der unsere, so wie der von vielen, Frauen und Männern von Unten, ein Krieg
für die Menschheit und gegen den Neoliberalismus.
Gegen den Tod, fordern wir das Leben.
Gegen das Schweigen, verlangen wir das Wort und Respekt.
Gegen das Vergessen, das Andenken.
Gegen Demütigung und Geringschätzung, die Würde.
Gegen die Unterdrückung, die Rebellion.
Gegen die Versklavung, die Freiheit.
Gegen das Aufzwingen, die Demokratie.
Gegen das Verbrechen, die Gerechtigkeit.
Wer, der nur ein wenig Menschlichkeit in seinen Venen verspürt, könnte oder kann diese
Forderungen in Frage stellen?
Und damals haben viele zugehört.
Den Krieg, den wir ausriefen, gab uns das Privileg, aufmerksame und edelmütige Ohren
und Herzen in nahen sowie weit entfernten Geographien zu erreichen.
Es fehlte was fehlte, und es fehlt was fehlt, aber wir haben den Blick des Anderen/der
Andern, sein/ihr Ohr, sein/ihr Herz erreicht.
Somit mussten wir auf eine entscheidende Frage Antwort geben.
́Was folgt? ́
In den trüben Rechnungen des Vorabends gab es nicht einmal die Möglichkeit uns
irgendwelche Fragen zu stellen. Daher hat diese Frage weitere Fragen aufgeworfen:
Jene vorbereiten, die den Weg des Todes folgen?
Mehr und bessere Soldaten ausbilden?
Anstrengungen zur Verbesserung unserer beschädigten Kriegsmaschinerie unternehmen?
Dialogbereitschaft und Bereitschaft für den Frieden zu simulieren aber neue Schläge
vorbereiten?
Töten oder sterben als einzige Bestimmung?
Oder sollten wir den Weg des Lebens wiederherstellen, den Weg, den die von Oben zerstört
haben und weiterhin zerstören?
Nicht nur den Weg der Originalvoelker, auch den der Arbeiter*innen, Student*innen,
Lehrer*innen, Jugendlichen, Bauern und Bäuerinnen, so wie alle Anderen, die Oben
hofiert, Unten aber verfolgt und bestraft werden.
Sollten wir unser Blut auf dem Weg vergießen, der andere an die Macht bringt oder sollten
wir unser Herz und unseren Blick umkehren, zu denen, die wir sind und zu denen, die sind
was wir sind, das heißt, die Originalvölker, die Waechter des Bodens und der Erinnerung?
Damals hat es niemand gehört, aber im ersten Stammeln dessen, was unsere Worte waren,
haben wir darauf hingewiesen, dass unser Dilemma nicht darin bestand, ob wir verhandeln
oder kämpfen sollen, sondern zwischen sterben oder leben.
Wer damals bemerkt hätte, dass dieses frühe Dilemma kein individuelles war, der hätte
vielleicht besser verstanden, was in der zapatistischen Wirklichkeit der letzten 20 Jahre
geschehen ist.
Aber wie ich Ihnen sagte, wir befanden uns vor dieser Frage und diesem Dilemma.
Und wir wählten.
Und anstatt uns mit der Ausbildung von Guerilleros, Soldaten und Schwadronen zu
beschäftigen, bildeten wir Promotoren und Promotorinnen für die Erziehung und für die
Gesundheit aus und die autonomen Basen wurden gegruendet, die heute von der ganzen
Welt bewundert werden.
Anstatt Kasernen zu bauen, unsere Waffen zu modernisieren, Mauern und Schützengräben
zu errichten, bauten wir Schulen, gruendeten wir Krankenhäuser und Gesundheitszentren
und verbesserten wir unsere Lebensbedingungen.
Anstatt um einen Platz im Parthenon der individualisierten Toten von unten zu kämpfen,
wählten wir die Errichtung des Lebens.
All das inmitten eines Krieges, der nicht weniger tödlich war, weil er dumpf war.
Denn, compas, es ist eine Sache zu schreien  ̈Ihr seid nicht allein ̈, aber eine andere, allein,
nur mit dem Körper, sich einer gepanzerten Kolonne einer Militäreinheit entgegenzustellen,
so wie das in der Zone der Altos von Chiapas geschehen ist und dann mal sehen, ob wir
Glück haben und jemand hat davon etwas gemerkt und mal sehen, ob wir noch etwas mehr
Glück haben, dass es jemand merkt und sich darüber aufregt, und mal sehen ob wir noch
mehr Glück haben und der, der sich aufregt auch etwas unternimmt.
Währenddessen werden die Panzer von zapatistischen Frauen aufgehalten, auf Grund eines
fehlenden Fuhrparkes mit Verwünschungen und Steinen, sodass die stählerne Schlange den
Rückzug antreten musste.
Und im Norden von Chiapas, unter der Entstehung und Entwicklung der weißen Wachen zu
leiden, damals geschah ihr Recycling als Paramilitärs, und in der Zone Tzotz Choj die
ständigen Angriffe von  ́unabhängigen ́ Landarbeiterorganisationen, wobei  ́unabhängig ́
nicht einmal als Scherz zu verstehen ist und in der Zone des Tzeltal Regenwaldes die
Kombination aus Paramilitärs und Kontras.
Und eine Sache ist es zu schreien  ́wir sind alle Marcos ́ oder  ́nicht alle sind wir Marcos ́,
je nachdem, und eine andere die Verfolgung durch die komplette Kriegsmaschinerie, die
Besetzung von Dörfern, das  ́Durchkämmen ́ der Berge, das Einsetzen von Spürhunden, die
Artillerie-Hubschrauber, deren Rotoren die Ceiba-Baumkronen aufwirbelten, das  ́lebend
oder tot ́, das in den ersten Jänner-Tagen des Jahres 1994 aufgetaucht ist und das
hysterischste Niveau 1995 erreichte sowie in den noch verbleibenden Jahren der
sechsjährigen Regierungszeit desjenigen, der jetzt ein Angestellter eines transnationalen
Unternehmens ist, und worunter diese Zone, die Zone des Regenwaldes an der Grenze seit
1995 litt und wo dann die gleiche Reihenfolge der Angriffe erfolgte, durch
Landarbeiterorganisationen, Paramilitärs, Militär, Belästigungen.
Falls es in all dem ein Mythos gibt, dann ist das nicht die Gesichtsmaske, sondern die Lüge,
die seit jenen Tagen wiederholt wird, selbst Leute mit hoher Bildung vertreten, dass der
Krieg gegen die Zapatist*innen nur 12 Tage dauerte.
Ich werde keine detaillierte Nacherzählung machen. Jemand mit einem Minimum an
kritischem Geist und Seriositaet kann die Geschichte rekonstruieren und nachrechnen ob es
es mehr Reporter oder mehr Polizisten und Soldaten gab und gibt, ob es mehr
Schmeicheleien als Drohungen gab und gibt, ob der Preis der ausgesetzt wurde dazu diente,
um den Gesichtsmaskierten zu sehen oder ihn  ́lebend oder tot ́ zu fangen.
Unter diesen Umstaenden haben wir fortgesetzt – manchmal allein mit unseren Kraeften,
manchmal durch die grosszuegige und bedingungslose Unterstuetzung von guten Menschen
aus der ganzen Welt – das zu schaffen, was wir sind, sicherlich, das ist noch nicht
abgeschlossen aber sehr wohl bereits definiert.
Daher ist es nicht nur eine Phrase, eine gelungene oder misslungene, je nachdem ob man
sie von Oben oder von Unten betrachtet, die sagt  ̈hier sind wir, die Toten von eh und je,
neuerlich sterben wir, aber jetzt, um zu leben ̈. Das ist die Wirklichkeit.
Und fast 20 Jahre spaeter….
Am 21. Dezember 2012, als Politik und Esoterik, wie bereits oft geschehen, bei der
Vorhersage von Katastrophen uebereinstimmten, Katastrophen die immer dieselben
betreffen, jene von Unten, wiederholten wir die Ueberrumpelung vom 1. Jaenner 1994 und
ohne einen einzigen Schuss, ohne Waffen, mit unserem Schweigen, haben wir neuerlich
den Hochmut der Staedte, Wiege und Nest des Rassismus und der Missachtung in die Knie
gezwungen.
So wie am 1. Jaenner 1994 Tausende von gesichtslosen Maennern und Frauen die
Garnisonen, die die Staedte beschuetzten angriffen und in die Knie zwangen, so waren es
am 21. Dezember 2012 Zehntausende, welche ohne Worte die Gebaeude einnahmen, von
denen aus unser Verschwinden gefeiert wird.
Einzig und allein die unanfechtbare Tatsache, dass die EZLN nicht nur nicht geschwaecht
war, noch weniger in der Versenkung verschwunden, sondern sowohl in Quanitaet als auch
in Qualitaet gewachsen war, haette fuer jeden nur halbwegs intelligenten Menschen
genuegt um zu sehen, dass sich in diesen 20 Jahren im Inneren der EZLN und den
comunidades etwas veraendert hatte.
Vielleicht denken einige, dass wir uns bei unserer Wahl getaeuscht haben, dass eine Armee
sich weder fuer den Frieden einsetzen kann noch darf.
Unter vielen Gesichtspunkten ist das die Wahrheit, aber der Hauptgrund war und ist, dass
unter diesen Umstaenden unser Ende unvermeidbar gewesen waere.
Vielleicht stimmt es. Vielleicht haben wir uns geirrt, als wir waehlten, das Leben zu
pflegen, anstatt den Tod anzubeten.
Aber wir waehlten, ohne auf die Stimmen von draussen zu hoeren. Die, die immer den
Kampf auf Leben und Tod fordern, wobei die Toten immer von den anderen gestellt
werden.
Wir waehlten, wir schauten uns an und wir hoerten uns an, wir waren der gemeinschaftliche
Beschuetzer, der wir sind.
Wir waehlten die Rebellion, das heisst, das Leben.
Das heisst nicht, dass wir nicht wuessten, dass der Krieg von Oben versuchen wuerde und
versucht, uns seine Vorherrschaft neuerlich aufzuzwingen.
Wir wussten und wir wissen, dass wir ein ums andere Mal das verteidigen muessen, was
wir sind und wie wir sind.
Wir wussten und wir wissen, dass es weiterhin Tote geben wird, damit es Leben gebe.
Wir wussten und wir wissen, dass wir um zu leben sterben.
II.-Ein Misserfolg?
Man sagt, dass wir nichts fuer uns erreicht haben.
Es ist schon erstaunlich, dass diese Ansicht mit so viel Unverfrorenheit aufrecht erhalten
wird.
Sie glauben, dass die Toechter und Soehne der Comandantes und Comandantas
Auslandsreisen geniessen sollen, in Privatschulen unterrichtet werden sollen und dann hohe
Posten in grossen Unternehmen oder in der Politik bekleiden sollen. Anstatt den Boden zu
bearbeiten um ihm im Schweisse des Angesichts und mit viel Anstrengung die
Nahrungsmittel abzutrotzen, sollten sie sich in den social media produzieren, sich in den
Nachtclubs vergnuegen und Luxus zur Schau stellen.
Vielleicht sollten die Subcomandantes ihren Nachkommen die Posten vererben oder neue
Posten fuer sie schaffen, die Pfruende , die Buehnen, so wie das die Politiker von allen
Seiten machen.
Vielleicht sollten wir, so wie die Anfuehrer der CIOAC-H und anderer
Landarbeiterorganisationen Privilegien erhalten, und eine Bezahlung durch Projekte und
Unterstuetzungen, wobei wir den groessten Teil selbst einsteckten und fuer die Base nur
einige Brosamen abgaeben, als Gegenleistung fuer die getreuliche Ausfuehrung der
kriminellen Befehle, die von noch weiter Oben kommen.
Aber es ist wahr, nichts von dem haben wir fuer uns erreicht.
Kaum zu glauben, dass es sich 20 Jahre nach jenem  ́nichts fuer uns ́ herausstellt, dass es
sich nicht um eine Parole handelte, eine griffige Phrase fuer Plakate und Lieder, sondern
eine Realitaet, die Realitaet.
Wenn konsequent sein gleichbedeutend ist mit Misserfolg, dann folgt daraus dass die
Inkongruenz der Weg zum Erfolg ist, die Strasse zur Macht.
Aber wir wollen nicht dorthin gelangen.
Das interessiert uns nicht.
Unter diesen Parametern ziehen wir den Misserfolg dem Erfolg vor.
III.- Die Abloese.
Waehrend dieser 20 Jahre hat es viele und komplizierte Abloesen bei der EZLN gegeben.
Einige haben nur das auffaelligste bemerkt: die altersbedingte.
Jetzt kaempfen jene und fuehren den Widerstand an, die noch klein waren oder noch nicht
einmal geboren waren, als wir uns erhoben.
Aber einige Wissenschaftler haben andere Abloesen nicht bemerkt:
Der Klasse: von der gebildeten Mittelklasse zum indigenen Bauern.
Der Rasse: von der Mestizen-Fuehrungsschicht, zur rein indigenen Leitung.
Und das wichtigste: die Abloese der Ideen: von der revolutionaeren Avantgarde zum
gehorchend befehlen; von der Machtuebernahme von Oben zur Schaffung der Macht von
Unten; von der Politik als Beruf zur Politik des Alltags; von den Fuehrern zum Volk; von
der Marginalisierung der Frauen zur direkten Teilnahme der Frauen; vom Spott ueber das
Anders-Sein zum Feiern der Diversitaet.
Ich werde mich nicht weiter darueber auslassen, denn es war der Kurs  ̈Die Freiheit nach
den Zapatist*innen ̈ der die Gelegenheit bot, zu beobachten, ob im organisierten Terrain die
Person wichtiger ist als die Gemeinschaft.
Ich persoenlich verstehe ja nicht, warum Menschen, die ja denken koennen und behaupten,
dass die Geschichte vom Volk geschrieben wird, so sehr davor erschrecken, dass es eine
Regierung des Volkes gibt, wo die  ́Spezialisten ́ im Regieren nicht aufscheinen.
Warum verursacht es Entsetzen, dass das Volk befiehlt, dass es seine eigenen Schritte
lenkt?
Warum schuetteln sie voller Missfallen den Kopf vor dem gehorchend befehlen?
Der Kult des Individualismus drueckt sich am deutlichsten im Kult der Avantgarde aus.
Und genau das war es, dass die Indigenen befehlen und dass jetzt ein Indigener der
Sprecher und der Chef ist, was sie vor Schrecken erstarren laesst, was sie entfernt und
schlussendlich gehen sie um weiterhin jemand zu suchen, der eine Avantgarde, einen
Caudillo, einen Leader braucht. Denn auch in der Linken gibt es Rassismus, vor allem in
der Linken die sich selbst als revolutionaer bezeichnet.
Die ezetaelene gehoert nicht zu denen. Daher kann nicht jeder, nicht irgendeiner oder
irgendeine Zapatist*in sein.
IV.- Ein Hologramm das austauschbar ist und wie es gerade passt. Was nicht
passieren wird.
Vor dem Jahr 1994 verbrachte ich 10 Jahre in diesen Bergen. Ich kannte und hatte
persoenlichen Kontakt mit einigen, deren Tod wir ein Vieles mitgestorben sind. Seit damals
kenne ich andere Frauen und Maenner und ich habe zu ihnen Kontakt, heute befinden sie
sich hier.
Es waren viele Morgengrauen, an denen ich versuchte, die Geschichten zu verdauen, die sie
mir erzaehlten, die Welten die sie mit Schweigen zeichneten, Haende und Blicke, ihr
Beharren, etwas weit Entferntes zu zeigen.
War sie ein Traum? Diese Welt, so anders, so weit weg, so unbekannt?
Manchmal kam es mir vor, als waeren sie ihrer Zeit voraus, die Worte die uns leiteten und
leiten kamen aus einer Zeit, fuer die es noch keinen Kalender gab, verloren wie sie waren,
in ungenauen Geographien: der wuerdige Sueden, immer praesent in allen
Himmelsrichtungen.
Spaeter entedeckte ich, dass sie nicht ueber eine ungenaue Welt sprachen und daher
unmoegliche.
Diese Welt ging schon ihren Schritt.
Haben Sie es nicht gesehen? Sehen Sie es nicht?
Wir haben niemand von Unten getaeuscht. Wir verbergen nicht, dass wir eine Armee sind,
mit der Struktur einer Pyramide, einem Zentrum der Befehlsgewalt, den Entscheidungen
von oben nach unten. Nicht um den Libertaeren zu schmeicheln, oder weil das gerade
Mode ist, verleugnen wir, was wir sind.
Aber jeder kann jetzt sehen, ob unsere Armee eine ist die aufzwingt oder noetigt.
Und jetzt muss ich was sagen, ich habe dafuer auch bereits die Erlaubnis des
Subcomandante Insurgente Moisés eingeholt:
Nichts von alledem, was wir gemacht haben, sei es zum Guten oder zum Schlechten, waere
moeglich gewesen, wenn nicht eine bewaffnete Armee, die zapatistische der nationalen
Befreiung, die Waffen ergriffen haette gegen die schlechte Regierung, unter Anwendung
des Rechts auf legitime Gewalt. Die Gewalt derer von Unten gegen die Gewalt von Oben.
Wir sind Krieger und als solche wissen wir, was unsere Aufgabe ist und unsere Zeit.
Im Morgengrauen des ersten Tages des ersten Monats des Jahres 1994 ist eine Armee von
Riesen, das heisst, von rebellischen Indigenen in die Staedte hinabgezogen um mit ihrem
Schritt die Welt zu erschuettern.
Nur einige Tage spaeter, das Blut unserer Gefallenen war noch frisch, da merkten wir in
den Strassen der Stadt, dass die von draussen uns nicht sahen.
Gewohnt, die Indigenen von oben herab zu betrachten, erhoben sie den Blick nicht um uns
anzuschauen.
Gewohnt, uns geduckt zu sehen, verstand ihr Herz unsere wuerdige Rebellion nicht.
Ihr Blick blieb auf dem einzigen Mischling haengen, der eine Gesichtsmaske trug, das
heisst, sie schauten nicht.
Unsere Chefs und Chefinnen sagten daher:
̈Sie sehen nur, wie klein sie sind, machen wir jemand so klein wie sie, dann werden sie den
sehen, und durch diesen uns ̈.
Und so begann eine kompliziertes Ablenkungsmanoever, ein riesiger und wunderbarer
Zaubertrick, ein listiges Spiel des indigenen Herzens, welches wir sind, die indigene
Weisheit forderte die Modernitaet in einer ihrer eigenen Bastionen heraus: den
Kommunikationsmedien.
Und da begann dann die Konstruktion einer Figur, die  ́Marcos ́ heisst.
Ich bitte Sie, dass Sie mir bei meinen Argumenten folgen:
Nehmen wir an, es ist moeglich, einen Verbrecher auf eine andere Art und Weise
unschaedlich zu machen. Zum Beispiel, indem man ihm eine Waffe zum Mord schafft, ihm
glauben macht, dass die Waffe eine Wirkung habe, ihn bewegt, auf Grund dieser Wirkung
seinen ganzen Plan aufzubauen, um, im Moment, wo er seine  ́Waffe ́ abfeuern moechte, zu
dem zurueck kehrt was er immer war: eine Illusion.
Das gesamte System aber vor allem dessen Kommunikationsmedien spielen damit,
Beruehmtheiten zu konstruieren um sie dann zu zerstoeren, wenn sie sich nicht ihrem
Schicksal beugen.
Ihre Macht lag darin (so ist es jetzt nicht mehr, sie wurden naemlich von den social media
abgeloest) zu entscheiden, was und wer existierte, in dem Moment wo sie auswaehlten, was
sie aussprachen oder was sie verschwiegen.
Wie auch immer, nehmen Sie mich nicht zu ernst, wie man in diesen 20 Jahren gesehen hat,
weiss ich nicht mehr ueber die Massenmedien Bescheid.
Es war jedenfalls so, dass der SupMarcos vom Pressesprecher zum Alleinunterhalter
wurde.
Wenn der Weg des Krieges, oder anders ausgedrueckt, des Todes 10 Jahre dauerte; der des
Lebens erforderte mehr Zeit und erforderte mehr Anstrengung, um nicht vom Blut zu
sprechen.
Denn, obwohl Sie es vielleicht nicht glauben, es ist leichter zu sterben als zu leben.
Wir brauchten Zeit um zu sein und um jene zu finden, die imstande sind, uns zu sehen was
wir sind.
Wir brauchten Zeit um jene zu finden, die uns nicht nach Oben ansahen, nicht nach unten,
die uns gerade in die Augen sehen wuerden, mit kameradschaftlichem Blick.
Wie gesagt, damals begann die Konstruktion der Figur.
Marcos hatte einmal blaue Augen, dann wieder gruene oder braune oder honigfarbene oder
schwarze, das hing immer davon ab, wer das Interview machte oder das Foto. So war er
Reservespieler in professionellen Fussballteams, Angestellter in Warenhaeusern,
Chauffeur, Philosoph, Filmschaffender und die vielen etcs., die man in den bezahlten
Medien finden kann, in diesen Kalendern der unterschiedlichen Geographein. Es gab einen
Marcos fuer jede Gelegenheit, das heisst, fuer jedes Interview. Und es war nicht leicht,
glauben Sie es mir, damals gab es kein wikipedia und wenn sie aus Spanien kamen, musste
er herausfinden, ob zum Beispiel der Corte Inglés (Anmerkung der Uebersetzerin:
Warenhauskette in Spanien) eine typische englische Tracht war, ein Greislerladen oder ein
Warenhaus.
Wenn Sie mir erlauben, die Figur des Marcos zu definieren, so wuerde ich ohne zu zoegern
sagen, dass er ein Hanswurst, eine Verkleideter war.
Lassen Sie es mich so ausdruecken, damit wir uns verstehen, Marcos war ein nicht freies
Medium (Achtung: das ist nicht dasselbe wie die bezahlten Medien).
Bei der Schaffung und im Erhalten der Figur begingen wir einige Fehler.
́Irren ist menschlich ́ sagt das Sprichwort.
Im ersten Jahr erschoepften wir – wie man so schoen sagt – das Repertoire der moeglichen
́Marcos ́. Das heisst, zu Beginn des Jahres 1995 waren wir in Schwierigkeiten und der
Prozess der Gemeinden befand sich in Kinderschuhen.
Und so wussten wir 1995 nicht mehr, was tun. Aber da geschah es, dass Zedillo, mit der
PAN als Schuetzenhilfe Marcos  ́entdeckte ́, mit der gleichen wissenschaftlichen Methode,
mit denen er Knochen findet, das heisst mit esoterischen Wuenschelruten.
Die Geschichte vom Mann aus Tampico verschaffte uns Luft, obwohl uns der darauf
folgende Betrug ueber die Paca de Lozano befuerchten liess, dass die bezahlte Presse auch
die  ́Demaskierung ́ vom Marcos in Frage stellen koennte und dann entdecken wuerde, dass
es sich um einen weiteren Betrug handelte. Zum Glueck war dem nicht so. Wie dieses,
haben die Medien weiterhin auch andere aehnliche Muehlraeder verschluckt.
Spaeter kam dann der Mann aus Tampico hier her zu uns. Zusammen mit dem
Subcomandante Insurgente Moises haben wir mit ihm gesprochen. Wir boten ihm an, eine
gemeinsame Konferenz zu geben, so koennte er sich von der Verfolgung befreien, denn
dann wuerde klar, dass er und Marcos nicht dieselbe Person sind. Er wollte nicht. Er kam,
um hier zu leben. Er ist manchmal weg gegangen und man kann sein Gesicht auf den Fotos
der Begraebnisse seiner Eltern sehen. Wenn Sie wollen, koennen Sie ihn interviewen. Jetzt
lebt er in einer Comunidad in….Ach, er will nicht, dass Sie wissen, wo er lebt. Wir sagen
nichts mehr ueber ihn, wenn er eines Tages moechte, kann er die Geschichte erzaehlen, die
er seit dem 9. Februar 1995 erlebt hat. Uns bleibt nur, ihm dafuer zu danken, dass er uns
Daten lieferte, die wir immer wieder benutzten, um die  ́Ueberzeugung ́ zu verstaerken,
dass der SupMarcos nicht der ist, der er wirklich ist, das heisst, ein Hanswurst oder ein
Hologramm, sondern ein Universitaetsprofessor aus dem jetzt so leidgeplagten Tamaulipas
In der Zwischenzeit setzten wir unsere Suche fort, wir suchten Sie, die Maenner und
Frauen, die die jetzt hier sind und jene, die nicht hier sind aber trotzdem praesent.
Wir haben immer wieder Initativen gesetzt, um den Anderen, die Andere, den Compañero,
die Compañera zu finden. Viele Initiativen mit dem Versuch den Blick und das Gehoer die
wir brauchen und verdienen, zu finden.
In dieser Zeit ging es in den Doerfern voran und auch die Abloese, ueber die viel oder
wenig gesprochen wurde, aber die direkt sichtbar ist, ohne Zwischenglieder.
Auf der Suche nach dem Anderen / die Andere, haben wir ein ums andere Mal Misserfolge
erlebt.
Die wir trafen, wollten uns fuehren oder wollten, dass wir sie leiten.
Es gab welche, die sich uns mit der Absicht naeherten, uns zu verwenden, oder um zurueck
zu schauen, entweder mit der Nostalgie des Anthropolgen oder der Nostalgie des
Aktivisten.
So waren wir fuer die einen Kommunisten, fuer die anderen Trotzkisten, fuer andere
Anarchisten oder Maoisten, fuer wieder andere Millenaristen und dann lasse ich Ihnen noch
eine Liste von  ́isten ́, damit Sie das einfuegen, was Ihnen gerade einfaellt.
So war das bis zur Sechsten Deklaration aus dem lakandonischen Regenwald, die kuehnste
und zapatistischste der Initiativen, die wir bis heute begonnen haben.
Mit der Sexta haben wir schlussendlich jene gefunden, die uns direkt in die Augen schauen,
uns gruessen und umarmen, so gruesst und umarmt man sich.
Mit der Sexta haben wir endlich Euch gefunden.
Endlich jemand, der verstand, dass wir keine Schaefer suchten, die uns leiteten, auch keine
Herden, die wir ins versprochene Land fuehren koennten. Weder Gebieter noch Sklaven.
Weder Fuehrer noch kopflose Massen.
Aber wir mussten noch sehen, ob es moeglich waere, dass Sie schauten und hoerten was
wir in unserem Sein sind.
Im Inneren war der Fortschritt unserer Menschen beeindruckend.
Und dann kam der Kurs  ́Die Freiheit nach den Zapatist*innen ́.
Drei Mal konnten wir sehen, dass es bereits eine Generation gab, die uns in die Augen
schauen konnte, die uns anhoeren und mit uns sprechen konnte ohne einen Fuehrer oder
Anweisung zu erwarten, auch ohne Erwartung der Unterordnung oder des Gefolges.
Marcos, die Figur war ueberfluessig geworden.
Die neue Etappe im zapatistischen Kampf war fertig.
Und dann geschah was geschehen musste, und viele von Euch, Compañeras und
Compañeros der Sexta, wissen darueber persoenlich Bescheid.
Sie koennten vielleicht sagen, dass das mit der Figur unnuetz war. Aber eine ehrliche
Revision dieser Tage wird zeigen, wie viele sich wieder umgedreht haben um uns
anzuschauen, mit Wohlwollen oder mit Missfallen, wegen der Entstellungen eines
Hanswurst.
Das heisst, die Abloese des Kommandos erfolgt nicht wegen Krankheit oder Tod, noch
wegen interner Verschiebungen, Saeuberung oder Reinigung.
Sie erfolgt in der Logik der internen Wechsel, die die EZLN hatte und hat.
Ich weiss, das passt nicht in die mit Scheuklappen versehenen Schemen der verschiedenen
oben die es gibt, aber um die Wahrheit zu sagen, das ist uns egal.
Und wenn das die schlampige und schlechte Beschreibung der Geruechteschreiber und
Zapatologen aus Jovel zerstoert, na ja, da koennen wir auch nichts machen.
Ich bin nicht krank und ich war es auch nicht, ich bin nicht tot und ich war es auch nicht.
Oder doch,  ́obwohl so oft sie mich auch toeteten, so oft bin ich gestorben, und neuerlich
bin ich hier praesent ́ (Anmerkung der Uebersetzerin: dies sind die Worte aus einem Lied
von Mercedes Sosa  ́La cigarra ́)
Wir foerderten diese Geruechte deshalb, weil es uns gut passte.
Der letzte grosse Trick des Hologramms war die Simulierung der toedlichen Krankheit und
einschliesslich aller Tode, die er gestorben ist.
Richtig, das  ́wenn es seine Gesundheit erlaubt ́, das der Subcomandante Insurgente Moisés
in seinem Kommunique verwendete, in dem er den Austausch mit den Compañeros des
CNI ankuendigte, ist ungefaehr gleich wie der Ausspruch  ́wenn das Volk es erlaubt ́ oder
́falls die Umfragen fuer mich gut stehen ́ oder  ́so Gott will ́ oder andere Gemeinplaetze die
in letzter Zeit als Kruecken fuer die politische Klasse dienten.
Falls Sie erlauben, dass ich Ihnen einen Rat gebe: Sie sollten ein wenig Ihren Sinn fuer
Humor pflegen, nicht nur zu Ihrem geistigen und leiblichen Wohlbefinden, sondern auch,
weil Sie ohne Sinn fuer Humor den Zapatismus nicht verstehen werden. Und wer nicht
versteht, der richtet, und wer richtet, der verurteilt.
Die Tatsache ist aber die, dass dies der einfachste Teil der Figur war. Um das Geruecht zu
naehren war es nur noetig, einigen bestimmten Personen zu sagen:  ́ich erzaehle dir ein
Geheimnis aber versprich mir, dass du es niemand sagen wirst ́.
Natuerlich haben sie es erzaehlt.
Die wichtigsten unfreiwilligen Mitarbeiter in der Geruechtekueche ueber Krankheit und
Tod waren die  ́Experten im Zapatismus ́, die im hochmuetigen Jovel und in der
chaotischen Stadt von Mexiko angeben, dass sie den Zapatist*innen nahe stehen und
tiefgreifende Kenntnisse ueber sie besitzen und ausserdem, eh klar, die Polizisten, die auch
als Journalisten kassieren, die Journalisten, die als Polizisten kassieren, und die
Journalist*innen die nur kassieren, und das schlecht, als Journalist*innen.
Danke an alle. Danke fuer ihre Diskretion. Sie machten genau das, was wir annahmen, was
sie machen wuerden. Der einzige Nachteil bei dem Ganzen ist, dass ihnen jetzt wohl
niemand mehr ein Geheimnis anvertrauen wird.
Wir sind ueberzeugt und unsere Praxis beweist, dass zur Rebellion und fuer den
Kampf weder Fuehrer noch Caudillos noch Messias noch Retter noetig sind. Um zu
kaempfen, braucht es nur ein wenig Schamgefuehl, ein Quantum Wuerde und sehr
viel Organisation.
Alles Andere nuetzt dem Kollektiv oder ist nutzlos.
Es war ganz besonders komisch, was der Personenkult in den Politologen und Analysten
von oben verursacht hat. Gestern sagten sie, dass die Zukunft dieses mexikanischen Volkes
von der Allianz von 2 Personen abhaengt. Vorgestern sagten sie, dass Peña Nieto sich von
Salinas de Gortari lossagen werde, ohne zu merken, dass, wenn sie Peña Nieto kritisieren,
sich auf der Seite von Salinas de Gortari stellen, und falls sie Letzgenannten kritisieren,
unterstuetzen sie Peña Nieto. Jetzt sagen sie, dass man im Kampf von oben um die
Telekommunikationen sich fuer eine Seite entscheiden muss, das heisst, entweder bist du
fuer Slim oder fuer Azcárraga-Salinas. Und weiter oben fuer Obama oder fuer Putin.
Jene die nach oben seufzen und lechzen koennen weiterhin ihren Fuehrer suchen, koennen
weiterhin denken, jetzt endlich werden die Wahlresultate anerkannt, jetzt wird Slim
endlich die Option der Linken bei den Wahlen unterstuetzen, jetzt endlich werden im Game
of Thrones Drachen und Kaempfe vorkommen, jetzt endlich wird in der TV-Serie The
Walking Dead, Kirkman sich der komischen Rolle verschreiben, jetzt endlich werden die in
China hergestellten Werkzeuge nicht mehr beim ersten Gebrauch zerbrechen, jetzt endlich
wird Fussball Sport und nicht Geschaeft sein.
Und ja, kann sein, dass sie es in dem einen oder anderen Fall erraten, aber man darf nicht
vergessen, dass sie immer nur Zuschauer sind, das heisst, passive Konsumenten.
Jene die den SupMarcos geliebt oder gehasst haben, wissen jetzt, dass sie ein Hologramm
geliebt oder gehasst haben. Ihre Liebe und ihr Hass waren also unnuetz, steril, leer, hohl.
Daher wird es kein Wohnaus-Museum noch eine Erinnerungstafel geben wo ich geboren
wurde und aufwuchs. Noch wird es jemand geben, der davon leben kann, dass der
Subcomandante Marcos gewesen ist. Weder sein Name noch seine Stellung werden vererbt.
Es wird niemand Gratisreisen ins Ausland machen koennen um Vortraege zu halten. Es
wird weder Transport noch Behandlung in Luxuskrankenhaeusern geben. Es wird weder
Witwen noch Erben und Erbinnen geben. Es wird keine Begraebnisse geben, keine
Ehrerweisungen, keine Statuen, keine Museen, keine Preise, nichts von dem was das
System macht, um den Personenkult zu foerdern und das Kollektiv gering zu schaetzen.
Die Figur wurde erschaffen und jetzt zerstoeren die Zapatistinnen und Zapatisten diese von
ihnen geschaffene Figur.
Wenn jemand diese Lektion, die unsere Compañeras und Compañeros uns geben, versteht,
dann hat er/sie das Wesentliche des Zapatismus verstanden.
So geschah in den letzten Jahren was eben geschah.
Und wir haben gesehen, dass der Hanswurst, der Harlekin, die Figur, das Hologramm nicht
mehr noetig war.
Ein ums andere Mal planten wir, ein ums andere Mal warteten wir auf den richtigen
Augenblick: den genauen Kalender und die exakte Geographie um zu zeigen, was wir in
Wirklichkeit sind, denen, die wahrhaftig sind.
Und da kam Galeanos Tod um uns Geographie und Kalender vorzuschreiben:  ́hier in La
Realidad; jetzt: im Schmerz und in der Wut”
V.- Der Schmerz und die Wut. Fluestern und Schreie.
Als wir hier in La Realidad im Caracol ankamen, begannen wir, ohne dass uns jemand
darum gebeten haette, zu fluestern.
Leise sprach unser Schmerz, leiser noch unsere Wut.
So als ob wir versuchten zu vermeiden, dass der Laerm den Galaeno vertreibt, Toene die
ihm unbekannt sind.
Als ob unsere Stimmen und Schritte ihn rufen koennten.
́Warte compa ́, das sagte unser Schweigen.
́Verlass uns nicht ́, fluesterten die Worte.
Aber es gibt andere Schmerzen und andere Wut.
Jetzt, in diesem Moment werden in anderen Ecken Mexikos, auf der ganzen Welt, ein
Mann, eine Frau, ein/eine Anderer/Andere, ein Bub, ein Maedchen, ein alter Mann, eine
alte Frau, ein Andenken, unbestraft geschlagen, vom sich zu einem gefraessigen Verbrecher
verwandelten System umzingelt, niedergeknueppelt, niedergestochen, niedergeschossen,
noch mal ermordet, unter Spott verschleppt, verlassen, sein/ihr Koerper wiedergefunden
und darueber die Totenwache gehalten und sein/ihr Leben wird begraben.
Nur einige Namen von all diesen:
Alexis Benhumea, ermordet im Bundesstaat von Mexiko.
Francisco Javier Cortés, ermordet im Bundesstaat von Mexiko
Juan Vázquez Guzmán, ermordet in Chiapas.
Juan Carlos Gómez Silvano, ermordet in Chiapas.
El compa Kuy, ermordet in DF.
Carlo Giuliani, ermordet in Italien.
Aléxis Grigoropoulos, ermordet in Griecenland.
Wajih Wajdi al-Ramahi, ermordet in einem Fluechtlingslager im Westjordanland in
Ramala. 14 Jahre alt, ermordet durch einen Schuss in den Ruecken, abgeschossen von einer
Beobachtungsstation der israelischen Armee, es gab keine Proteste, keine Demonstrationen
noch sonst etwas auf der Strasse.
Matías Valentín Catrileo Quezada, Mapuche-Indigener, ermordet in Chile.
Teodulfo Torres Soriano, Compa der Sexta, verschollen in Mexiko City.
Guadalupe Jerónimo und Urbano Macías, Gemeindemitglieder in Cherán, ermordet in
Michoacán.
Francisco de Asís Manuel, verschwunden aus Santa María Ostula
Javier Martínes Robles, verschwunden aus Santa María Ostula
Gerardo Vera Orcino, verschwunden aus Santa María Ostula
Enrique Domínguez Macías, verschwunden aus Santa María Ostula
Martín Santos Luna, verschwunden aus Santa María Ostula
Pedro Leyva Domínguez, ermordet in Santa María Ostula.
Diego Ramírez Domínguez ermordet in Santa María Ostula.
Trinidad de la Cruz Crisóstomo, ermordet in Santa María Ostula.
Crisóforo Sánchez Reyes, ermordet in Santa María Ostula.
Teódulo Santos Girón, verschwunden aus Santa María Ostula.
Longino Vicente Morales, verschwunden aus Guerrero.
Víctor Ayala Tapia, verschwunden aus Guerrero.
Jacinto López Díaz “El Jazi”, ermordet in Puebla.
Bernardo Vázquez Sánchez, ermordet in Oaxaca
Jorge Alexis Herrera, ermordet in Guerrero.
Gabriel Echeverría, ermordet in Guerrero.
Edmundo Reyes Amaya, verschwunden aus Oaxaca.
Gabriel Alberto Cruz Sánchez, verschwunden aus Oaxaca.
Juan Francisco Sicilia Ortega, ermordet in Morelos.
Ernesto Méndez Salinas, ermordet in Morelos.
Alejandro Chao Barona, ermordet in Morelos.
Sara Robledo, ermordet in Morelos.
Juventina Villa Mojica, ermordet in Guerrero.
Reynaldo Santana Villa, ermordet in Guerrero.
Catarino Torres Pereda, ermordet in Oaxaca.
Bety Cariño, ermordet in Oaxaca.
Jyri Jaakkola, ermordet in Oaxaca.
Sandra Luz Hernández, ermordet in Sinaloa.
Marisela Escobedo Ortíz, ermordet in Chihuahua.
Celedonio Monroy Prudencio, verschwunden aus Jalisco.
Nepomuceno Moreno Nuñez, ermordet in Sonora.
Die Migrantinnen und Migranten, die unter Gewaltanwendung verschwunden sind und
wahrscheinlich ermordet wurden, irgendwo auf mexikanischem Territorium.
Die Gefangenen, die man lebend ermorden will. Mumia Abu Jamal, Leonard Peltier, die
Mapuches, Mario González, Juan Carlos Flores.
Das fortgesetzte Begraben von Stimmen, die Leben waren, zum Schweigen gebracht durch
die Erde, die man ueber sie schaufelte oder durch das Gefaengnis, das sich hinter ihnen
schloss.
Und die groesste Verhoehnung ist die, wenn mit jeder Schaufel Erde, die der gerade
zustaendige Scherge hinab wirft, das System sagt:  ́du bist nichts wert, du bist
bedeutungslos, niemand weint um dich, niemand ist zornig ueber deinen Tod, niemand folgt
deinem Schritt, niemand erhebt dein Leben ́.
Und mit der letzten Schaufel Erde richtet er:  ́auch wenn sie die erwischen und strafen, die
wir dich ermordet haben, wird es immer welche geben, die dich neuerlich in einen
Hinterhalt locken und den makabren Tanz wiederholen, der deinem Leben ein Ende setzte ́.
Und sagt:  ́deine Gerechtigkeit ist klein, winzig, dazu gemacht, dass die bezahlten Medien
etwas vortaeuschen und eine kleine Ruhepause entsteht um das hereinbrechende Chaos zu
bremsen, das alles erschreckt mich nicht, das tut mir nicht weh, das bestraft mich nicht ́.
Was sagen wir dieser Leiche, der auf jedem Winkel der Welt von unten im Vergessen
begraben wird?
Dass nur unser Schmerz und unser Zorn wichtig sind?
Dass nur unsere Wut wichtig ist?
Waehrend wir unsere Geschichte fluestern, hoeren wir ihren Schrei, ihre Rufe nicht?
Sie hat so viele Namen die Ungerechtigkeit und es sind so viele Schreie, die sie ausloest.
Aber unser Schmerz und unsere Wut hindern uns nicht daran, all das zu hoeren.
Und unser Fluestern ist nicht nur dazu da, um unsere zu unrecht gefallenen Toten zu
beweinen.
Sie sind dazu da, um andere Schmerzen zu hoeren, anderen Zorn zu dem unseren zu
machen und so den komplizierten, langen und schmerzhaften Weg weiter zu gehen, aus all
dem einen Schrei, der sich in einen Kampf um die Freiheit verwandelt, zu machen.
Und nicht vergessen, waehrend jemand fluestert, schreit jemand.
Und nur das aufmerksame Ohre kann es hoeren.
Waehrend wir jetzt sprechen und hoeren, schreit jemand vor Schmerz und Wut.
Und so wie es noetig ist zu lernen, den Blick in die richtige Richtung zu lenken, so muss
das Ohr den Weg finden, welches es fruchtbar macht.
Denn waehrend jemand ausruht, gibt es jemand, der den Weg weiterhin aufwaerts geht.
Um diese Anstrengung zu sehen genuegt es, den Blick nach unten zu wenden und das Herz
nach oben.
Koennen Sie das?
Werden Sie es schaffen?
Die kleinkarierte Gerechtigkeit sieht der Rache so sehr aehnlich. Die kleinkarierte
Gerechtigkeit ist die, die Straflosigkeit austeilt, denn in dem sie einen bestraft, macht sie
andere straffrei.
Die Gerechtigkeit die wir wollen, fuer die wir kaempfen endet nicht, wenn wir die Moerder
des Compa Galeano finden und sehen, dass sie ihre Strafe erhalten (dass es so sein wird ist
sicher, da soll sich niemand taeuschen).
Die geduldige und beharrliche Suche sucht die Wahrheit, nicht die Erleichterung von der
Resignation.
Die grosse Gerechtigkeit hat mit dem beerdigten Compañero Galeano zu tun.
Denn wir fragen uns nicht, was wir mit seinem Tod machen sondern was wir mit seinem
Leben machen muessen.
Entschuldigen Sie, wenn ich ins sumpfige Terrain der Gemeinplaetze hineingleite, aber
dieser Compañero hat es nicht verdient, so zu sterben.
All seine Anstrengung, seine taegliche Opferbereitschaft, puenktlich, unsichtbar fuer alle,
ausser uns, galt dem Leben.
Und ich kann Ihnen sagen, dass er ein aussergewoehnlicher Mensch war und ausserdem
und das ist das Erstaunliche, gib es Tausende von Compañeras und Compañeros wie ihn in
den indigenen zapatistischen Gemeinden, mit dem gleichen Bemuehen, identischem
Engagement, derselben Klarheit und einem einzigen Ziel: die Freiheit.
Und wenn wir makabre Rechnungen aufstellen: wenn jemand den Tod verdient dann einer,
der nicht existiert oder nicht existiert hat, ausser in der Fluechtigkeit der bezahlten
Kommunikationsmedien.
Unser Compañero Chef und Wortfuehrer der EZLN, Subcomandante Insurgente Moises hat
es uns bereits gesagt, mit dem Mord von Galeano oder jedweden Zapatisten wollten die von
oben die EZLN ermorden.
Nicht als Armee sondern als sturer Rebell der aufbaut und Leben gibt und zwar dort, wo
sie, die von oben sich das Moor der Minenindustrien, Erdoelindustrien,
Touristikunternehmen wuenschen, den Tod der Erde und jener, die es bewohnen und
bebauen.
Und er sagte dass wir von der Generalkommandatur der nationalen zapatistischen
Befreiungsarmee gekommen sind, um Galeano auszugraben.
Wir glauben dass es noetig ist, dass einer von uns stirbt, damit Galeano leben koenne.
Und dass dieser Flegel, der Tod heisst, zufrieden ist, geben wir einen anderen Namen an
Stelle von Galeano her, damit Galeano leben koenne und der Tod nicht ein Leben mit
nimmt sondern nur einen Namen, einige Buchstaben ohne jeglichen Sinn, ohne eigene
Geschichte, ohne Leben.
So haben wir entschieden, dass Marcos heute aufhoert zu existieren.
Sombra der Guerrero und Lucecita werden ihn an die Hand nehmen, damit er sich nicht
verirrt. Don Durito wird mit ihm gehen, ebenso der Alte Antonio.
Die Maedchen und Buben, die frueher zusammen kamen um seinen Geschichten zu
lauschen, werden ihn nicht vermissen, denn sie sind schon erwachsen, sie koennen bereits
selbst entscheiden, sie kaempfen bereits wie er um die Freiheit, Demokratie und
Gerechtigkeit, eine Aufgabe, die allen Zapatist*innen obliegt.
Der Abschiedsgesang wird jetzt von der Katze-Hund und nicht von einem Schwan
gesungen werden.
Und zum Schluss werden jene, die verstehen, wissen, dass nicht geht, der niemals da war
und nicht stirbt der nicht gelebt hat.
Und der Tod wird sich betruegen lassen, von einem Indigenen mit dem Kampfnamen
Galeano und in diesen Steinen, die sie auf sein Grab legten, wird er wieder schreiten und er
wird wieder lehren, jene die das zulassen, das Basiswissen ueber Zapatismus, das da heisst,
sich nicht verkaufen, nicht aufgeben, nicht wanken.
Ach der Tod! Wie wenn es nicht klar waere, dass er die von oben von aller Verantwortung
befreit, abgesehen von den Trauerreden, der grauen Ehrung, der nutzlosen Statue und des
regelnden Museums.
Und wir? Also das ist so, uns nimmt der Tod in die Pflicht, durch das, was er an Leben hat.
Also, hier sind wir, in der Realitaet und machen uns ueber den Tod lustig.
Compas:
Nach alle dem oben gesagten, um 2.08 Uhr am 25. Mai 2014, an der suedoestlichen Front
der EZLN erklaere ich hiermit, dass der als Subcomandante Insurgente Marcos bekannte
Mensch, der sich selbst  ́Subcomandante aus Edelstahl ́ bezeichnet, aufhoert zu existieren. .
Das ist es.
Durch meine Stimme wird nicht mehr die Stimme der Zapatistischen Natrionalen
Befreiungsarmee sprechen.
Vale. Salud und bis niemals….bis immer, wer es verstanden hat wird wissen, dass das nicht
mehr wichtig ist, es niemals wichtig war.
Aus der zapatistischen Realitaet.
Subcomandante Insurgente Marcos.
Mexiko, 24. Mai 2014.
P.S.1.-  ̈Game is over”?
P.S.2.- Schach Matt?
P.S.3.- ¿Touché?
P.S. 4.- Seht zu, Freunde, und schickt Tabak.
P.S. 5.- Mmh… das ist also die Hoelle… Der und der auch, der Piporro, Pedro, José
Alfredo! Was? Wegen Machismus? Nah, das glaube ich nicht, ich habe niemals…
P.S.-6.-Also wie man so schoen sagt, ohne Hanswurst-Kostuem, und kann ich schon nackt
gehen?
P.S. 7.- Hoert mal, hier ist es stockfinster. Ich brauche ein Lichterl.
(…)
(da kommt eine Stimme aus dem off)
Guten Tagesanbruch, wuensche ich Euch Compañeras und Compañeros. Mein Name ist
Galeano, Subcomandante Insurgente Galeano.
Heisst hier noch jemand Galeano?
(man hoert Stimmen und Rufe)
Ah, deshalb haben sie mir gesagt, wenn ich nochmals geboren wuerde, dann wuerde ich es
im Kollektiv machen.
So soll es sein.
Gute Reise. Passt gut auf Euch auf. Passt auf uns auf.
Aus den Bergen des Suedostens von Mexiko.
Subcomandante Insurgente Galeano.
Mexiko, Mai 2014.

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